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Kultur: Metropol-Theater: Bravo! Es geht ja ganz famos!

"Mir ist manches schon passiert, aber soetwas noch nicht!" Oberst Ollendorf versteht die Welt nicht mehr: Was ist denn schon dabei, der Frau Gräfin auf die Schulter zu küssen?

"Mir ist manches schon passiert, aber soetwas noch nicht!" Oberst Ollendorf versteht die Welt nicht mehr: Was ist denn schon dabei, der Frau Gräfin auf die Schulter zu küssen? Man muss eben flexibel sein. So wie der alte Haudegen aus Millöckers "Bettelstudent" hält es augenscheinlich auch Berlins Ex-Kultursenator Peter ("der Zigeunerbaron") Radunski. Ausgerechnet er bemüht sich derzeit darum, dass im Metropol-Theater künftig Musicals gespielt werden. 17 Mal hat der CDU-Mann mit dem Sinn fürs Marketing nach der Rechnung der Grünen-Kulturpolitikerin Alice Ströver die Wiedereröffnung des - während seiner Amtszeit - geschlossenen Operettentheaters angekündigt. Bis er zur allgemeinen Überraschung einen Tag nach der letzten Berliner Wahl seinen Job an den Nagel hängte, um bei der Werbeagentur "Publicis" anzuheuern. Dort arbeitet er nun als politischer Lobbyist unter seinem ehemaligen Pressesprecher Axel Wallrabenstein, der zum PR-Chef des weltweit fünftgrößten Kommunikationskonzerns avancierte. In seinem neuen Job hält es der wendige Radunski jetzt mit Ollendorfs "Bettelstudent"-Hit "Schwamm drüber". Wo er früher Strauß, Lehàr und Kollo favorisierte, sollen nun Andrew LLoyd Webber und Konsorten erklingen.

Auftraggeber von Wallrabenstein und Radunski ist in Sachen Metropol der schwerreiche holländische Eventveranstalter und Theaterbetreiber "Stage Holding". Deren alleiniger Gesellschafter Joop van der Ende hatte zusammen mit John de Mol Mitte der neunziger Jahre die TV-Unterhaltungsfirma "Endemol" gegründet, die spätestens seit ihrem Coup mit "Big Brother" zu den Branchenriesen zählt. Vor wenigen Monaten verkaufte der Theaterfan van den Ende seine 26-prozentige "Endemol"-Beteiligung an den spanischen Telefonica-Konzern, um sich ganz der "Stage Holding" widmen zu können. Dabei blieben 2,8 Milliarden Mark in seiner Kasse hängen, wie jetzt im Branchendienst KressReport nachzulesen ist.

Dort erklärt auch der Ex-Senator, wie er seine Rolle bei der Metropol-Musicalisierung sieht: "Ich öffne Türen und vermittele Gespräche mit Entscheidungsträgern." Die kennt er nur zu gut aus seinen Berliner Senatorenjahren, und sein Know-how ist der "Stage Holding" gerade recht. Denn hinter dem Berliner Engagement scheint mehr zu stecken als die Aussicht auf ein gutes Geschäft. Das lässt sich aus dem verlockenden Angebot herauslesen, dass die "Stage Holding" dem Senat, der kein Geld mehr für das Metropol ausgeben will, vorlegte: Im Gegensatz zu früheren potenziellen Metropol-Theater-Investoren begnügt sich die "Stage Holding" mit dem Theater- und Admiralspalast-Komplex und fordert nicht auch noch die umliegenden, teils unbebauten Filetgrundstücke. Mindestens 60 Millionen Mark will man investieren, um das Haus zu sanieren und die Bühne den Anforderungen modernen Unterhaltungstheaters anzupassen. Und natürlich darf "Die Distel" im Vorderhaus weiter Kabarett spielen.

Ob sich so ein Angebot rechnet, muss bezweifelt werden. Aber um Maximalprofit geht es den Holländern in Berlin nicht. Offiziell heißt es, Joop van der Ende hätte sich bei einem Besuch im Metropol unsterblich in das Theater verliebt und wolle es darum auf jeden Fall wieder mit Leben füllen. Aber der Stage-Holding-Chef hat in der Stadt auch noch eine Rechnung offen: mit Peter Schwenkow. Schließlich hat ihm der Berliner Unterhaltungs-Unternehmer in diesem Frühjahr die Stella-Musicals vor der Nase weggeschnappt. Da verwundert es kaum, dass van der Ende sich als Deutschland-Repräsentanten einen Stella-Mann abwarb. Maik Klockow war als Theaterleiter bei Stella dafür zuständig, dass der "Glöckner von Notre Dame" ungestört sein Wesen am Potsdamer Platz treiben konnte. Jetzt arbeitet er auf das Gegenteil hin.

Da kam Klockow die Bekanntschaft zu Axel Wallrabenstein gelegen. Man wurde handelseinig, dass sich "Publicis" "darum kümmert, dass ein guter Vertrag mit dem Senat zustande kommt", wie Wallrabenstein seinen Job gegenüber dem Tagesspiegel definiert. Also gaben Radunski und er Maik Klockow ein paar Tipps. Der machte sich gleich auf den Weg ins Abgeordnetenhaus, um nach dem "Bettelstudenten"-Motto "Ich knüpfte manche zarte Bande" am Rande der Plenarsitzungen mit den maßgeblichen Politikern zu plaudern. Die Klinkenputz-Tour führte den "Stage Holding"-Mann von Finanzsenator Kurth über Christoph Stölzl, den SPD-Fraktionschef Wowereit und die Oppositionspolitikerin Alice Ströver bis hin zur grauen CDU-Eminenz, dem Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky, und dem Regierenden Bürgermeister.

Von "Publicis" kam auch die Idee, den gesamten Berliner Kulturausschuss ins holländische Scheveningen einzuladen, damit die Abgeordneten sich vor Ort van der Endes aktuelle Lieblingsproduktion, das Sissi-Musical "Elisabeth", ansehen könnten. Für Musical-Macher ist so eine Einladung nichts Besonderes: Vor großen Premieren fliegt man gerne die Pressevertreter nach New York oder London. Doch die Grünen-Abgeordnete Alice Ströver schlug "Bestechungsalarm". Danach traute sich keiner der Ausschussmitglieder mehr, das Angebot anzunehmen.

Noch ist in Sachen Metropol alles offen. Im Senat prüft man neben der Stage Holding-Bewerbung weitere Angebote. Und auch der Kulturausschuss werde wohl noch einmal angehört, vermutet Wallrabenstein diplomatisch. Dass sein Kunde letztlich das Rennen macht, daran zweifelt er allerdings nicht. Dank des professionellen Consultings durch den operettengestählten Radunski dürfen die Stage Holding-Manager dann den Chor der Offiziere aus dem "Bettelstudenten" anstimmen: "Bravo! Es geht ja ganz famos!"

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