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Kultur: Mit Horn und Haar

Wie Picasso dem Minotaurus erlag: im Käthe-Kollwitz-Museum

Das einst kraftstrotzende Mannsbild lässt sich von einem Mädchen führen. Eine Ausstellung vorwiegend mit Grafiken von Pablo Picasso trägt den Titel seiner berühmten Reihe Der blinde Minotaurus . Die sagenhafte Zwitterfigur mit Menschenleib und haarigem Stierkopf – mal blind , mal sehend – steht im Zentrum der Sammlung von Klaus Hegewisch, die nun teilweise im Käthe-Kollwitz-Museum zu sehen ist (Fasanenstraße 24, Mi – Mo 11 bis 18 Uhr). Auf Picasso wirkte der Mythos so stark, dass er in die Rolle des Minotaurus geradezu hineinschlüpfte. Trotz erschreckender Manneskraft trägt sein Alter ego doch Mitleid erregende Züge. In der „Minotauromachie“ (1935) lastet das übergroße, behörnte Haupt schwer auf einem vergleichsweise kleinen, deformierten Körper. Private Umstände – die Beziehung zur jungen Marie-Thérèse Walter und die Trennung von der Ehefrau Olga Koklowa – haben sich vermutlich in den Frauenfiguren des Blattes niedergeschlagen: Ein Mädchen spendet mit einer Kerze Licht, eine Stierkämpferin liegt wie im Schlaf auf einem zusammenbrechenden Pferd. Der Reichtum der grafischen Strukturen raubt den Atem: Die atmosphärische Dichte, das Ineins von sanft gekräuselten und hart gezackten Linien, macht nachvollziehbar, warum viele das Werk für die bedeutendste Radierung der Moderne halten.

Der Minotaurus ist bei Picasso vom Bild des Stiers – in „Guernica“ eine Beschützerfigur – nicht zu trennen. So sind in der Ausstellung als Ergänzung nichtmythologische Stierkampfszenen zu sehen und mit erotischen Paarszenen konfrontiert. Eindrucksvoll verschmelzen in Picassos Bildwelten Gewalt, Leidenschaft und Zärtlichkeit miteinander.

Jens Hinrichsen

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