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Kultur: Moment mal!

Kodak ist insolvent: Mit George Eastmans Foto-Ausrüstungen begann das Zeitalter des Films.

Wenn die Eastman Kodak Company, die jetzt in den USA einen Insolvenzantrag gestellt hat, ihren Konkurs nicht mehr abwenden kann, dann endet damit nicht bloß eine stolze, 131 Jahre zurückreichende Firmengeschichte. Der Vergangenheit angehören würde auch, hochgestochen formuliert, eine ganze Ära der Technik-, Kultur- und Mediengeschichte: das Zeitalter des Films. Denn George Eastmans Geniestreich war die Einführung des Rollfilms, die es Fotografen ermöglichte, ihre Aufnahmen nicht mehr einzeln auf schwere Glasplatten, sondern schnell nacheinander in Serie auf einen Streifen auf Papierbasis und später aus Zelluloid zu bannen. Erfunden hat der Unternehmer, der seine Firma 1881 in Rochester im US-Bundesstaat New York gründete, das Verfahren des Stripping Film nicht. Er kaufte dem Erfinder das Patent für 40 000 Dollar ab.

Keine schlechte Investition, wenn man bedenkt, dass die Firma noch 1991 als Weltmarktführer für Kameras und Filme einen Umsatz von 19,4 Milliarden Dollar erzielen konnte. Doch zuletzt waren die Umsätze des einstigen Branchenprimus, der den digitalen Wandel verschlafen hatte, dramatisch eingebrochen, der Kurs der Aktie fiel auf unter einen Dollar.

Dabei muss man sich George Eastman vor allem als Marketinggenie vorstellen, als eine Art Steve Jobs des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Er machte aus der Fotografie eine Massenbewegung und demokratisierte gewissermaßen eine Technik, die bis dahin den Profis und den Reichen gehört hatte. Zwar kostete die erste serienmäßig von ihm vertriebene Kamera, berühmt geworden als Kodak Nr. 1, noch 25 Dollar, was ungefähr der Hälfte eines durchschnittlichen Monatsgehalts entsprach. Dafür ließ Eastman 1888 die Marke „Kodak“ ins Handelsregister eintragen, ein Fantasiewort, das gut klingen und weltweit leicht auszusprechen sein sollte. Aber schon das Nachfolgemodell, eine wegen ihrer Farbe Brownie genannte Boxkamera, war ab dem Frühjahr 1900 für einen Dollar zu haben. Die Brownie wurde für die Fotografie das, was später das legendäre Ford „Modell T“ für den Automobilbau sein sollte: ein Massenprodukt.

Ein Stativ war nicht mehr nötig, man musste den kastenförmigen Apparat nur etwa in Brusthöhe halten, von oben durch den Sucher schauen, den seitlich angebrachten Auslöser betätigen – und fertig war der Schnappschuss. „Sie drücken den Knopf, den Rest machen wir“, mit diesem Slogan warben Kodak-Girls für die einfache Handhabung der Technik. War der Film voll, brauchte man die Box bloß noch beim Händler abzugeben, wo die Bilder abgezogen und neue Negativrollen eingelegt wurden. Bis heute hat sich die vor allem noch von Künstlern verwendete Analogfotografie etwas vom Zauber eines alchemistischen Wunders bewahrt. Schließlich weiß der Fotograf – anders als beim Sofortprinzip des Digitalbildes – so lange nicht, ob seine Aufnahmen „etwas geworden“ sind, bis sie entwickelt vor ihm liegen.

„Meine Arbeit ist getan, warum noch warten?“, stand auf einem Zettel, den Eastman 1932 hinterließ, als er sich 77-jährig und an einem schweren Rückenmarksleiden erkrankt, das Leben nahm. Da hatte seine Firma mit der Einführung der Kodachrome-Filme auch noch den Siegeszug der Farbfotografie ermöglicht. Wenn die Sonne besonders prachtvoll und farbsatt untergeht, dann gibt es dafür bis heute einen unschlagbaren Begriff: „Kodak-Moment“. Vorbei, vorbei.

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