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Kultur: Mord und Hochzeit

GENERATION 14plus Zwei bewegende Filme und ein rabenschwarzer.

Der Schlüsselbund des kleinen Jésus fällt weit, weit hinten ins Wasser. „Willst du ihn nicht zurückholen?“, fragt der Jugendliche, der ihn geworfen hat, und grinst. „Jésus, Jésus!“, feuert er ihn an, und andere Jungen mit Bierdosen stimmen ein. Der kleine Junge hat das Downsyndrom. Unsicher, mit einem vagen Lächeln im Gesicht, das nie ganz verschwindet und das mich zutiefst berührt, blickt er sich um. Er wendet sich dem See zu. Viel später wird gezeigt, wie er für immer darin verschwindet. Und wie der Junge mit der Narbe verzweifelt im Wasser umherirrt, um ihn herauszufischen, während sich alle anderen verdrücken.

Die eigentliche Hauptfigur des schwedischen Films „Kronjuvelerna“ ist die große Schwester von Jésus. Ihr Schicksal ist von Geburt an mit dem des Jungen mit der Narbe verknüpft. Die Handlung besitzt viel Schwere. Als der Film vorbei ist, applaudiert das tausendköpfige Publikum bewegt, und ich freue mich, dass die Darsteller samt Regisseurin auf die Bühne kommen und ein paar Sätze sagen. Die Regisseurin erklärt, sie habe zehn Jahre lang an diesem Film gearbeitet!

Als ich im Besucherstrom aus dem Saal gehe, frage ich mich, was den Film so faszinierend gemacht hat. Es sind nicht nur die Schauspieler und die Handlung gewesen, auch die Sprache hat dem Film eine besondere Atmosphäre verliehen. Außerdem freue ich mich, dass ich die englischen Untertitel verstanden habe. Nächstes Jahr werde ich wieder auf die Berlinale gehen. Helene Köhler, 14 Jahre

Als das Licht ausgeht und sich der Vorhang öffnet, hört man überraschtes Gemurmel im Publikum, weil Cartoons über die Leinwand huschen und Marschmusik erklingt. Man fühlt sich in die Zeit zurückversetzt, in der Autos nur als Spielzeuge von Wichtigkeit waren und Rucksäcke lediglich den Zweck hatten, Butterbrote und Trinkflasche zu transportieren. Doch ebenso schnell, wie die Erinnerungen an die Kindheit auftauchen, werden sie wieder verscheucht, und man landet mitten in der Realität des Films „Two Little Boys“ des neuseeländischen Regisseurs Robert Sarkies.

Der junge Nige überfährt auf einer fluchtartigen Fahrt durch die Nacht versehentlich einen Rucksacktouristen und bittet seinen Kindheitsfreund Deano bei der Entsorgung der Leiche um Hilfe. Es entspinnt sich eine skurrile Charakterisierung ihrer Freundschaft, die jedem Zuschauer, der bis zum Schluss blieb, durch ihren schwarzen Humor ein Lachen entlockte. Die wenigen, die nach knapp 30 Minuten gingen, haben definitiv ein ziemlich einzigartiges Berlinale-Erlebnis verpasst – auch wenn man es verstehen könnte, wenn sie wegen der flachen sexuellen Anspielungen gegangen sein sollten. Paula Leocadia Pleiss, 16 Jahre

Der türkische Film „Lal Gece“ ist ganz leise. Es geht um Zwangsheirat, ein etwa vierzehnjähriges Mädchen wird mit einem Mann verheiratet, der ihr Vater sein könnte. Braut und Bräutigam haben sich noch nie gesehen, die Ehe wurde von den Familien arrangiert, um jahrelange blutige Streitigkeiten zu beenden. Der Film spielt hauptsächlich im Schlafzimmer des Bräutigams. Die Kamera holt alles sehr nah heran, man fühlt sich wie anwesend mit den beiden in diesem Raum.

Der Bräutigam war lange im Gefängnis wegen zweier Ehrenmorde im Auftrag der Familie. Er schimpft sich einen Idioten, weil er immer das getan hat, was der Patriarch der Familie von ihm verlangt hat – so, wie es die Tradition will. Und so hat er sich auch in diese Ehe gefügt. Doch er ist eigentlich ein gebrochener Mann mit einer schlimmen Vergangenheit und ohne Zukunft. Das Mädchen hätte ihr Leben und ihre Zukunft noch vor sich, doch nun ist sie an diesen alten Mann gebunden. Beide wissen, dass sie der Tradition gerecht werden und ihre ehelichen Pflichten erfüllen müssen – sie müssen am Ende der Nacht beweisen, dass das Mädchen entjungfert wurde.

Sie versucht, das Unvermeidliche hinauszuzögern, und so verbringen sie die Nacht mit Beten, Geschichten, Süßigkeiten und einem Kinderspiel. Doch in all diesen scheinbaren Belanglosigkeiten spürt man die ganze Verzweiflung, die Angst und die Unsicherheit der beiden. Man möchte am liebsten eingreifen, so dicht fühlt man sich an den Figuren, eine Lösung finden für das Mädchen, aber auch für den alten Mann. Von Beginn an spürt man: Das kann nicht gut enden.

Lässt sich anhand einer Nacht zeigen, was türkische Traditionen bedeuten? Lassen sich Denkweisen erklären, in die man eigentlich hineingeboren sein muss, fremde Wertebegriffe vermitteln? Im Publikum waren viele türkische Zuschauer, die bei einigen Szenen klatschten. Nach dem Film waren manche noch ganz mit dem Gesehenen beschäftigt, andere diskutierten, manche waren betroffen, ein junges Mädchen weinte. Ich hatte den Eindruck, dass mehr Erwachsene als Jugendliche in der Vorstellung waren. „Lal Gece“ hat mich berührt und ist wieder einmal ein Berlinale-Beitrag zum Nachdenken und Reden. Der Inhalt dieses Films wird mich sicher noch weiter beschäftigen.Jannik Lage, 15 Jahre

Helene Köhler[14 Jahre]

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