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Kultur: Morrisseys Moral

Ein INSELZWIST von Markus Hesselmann

Das Großmaul hat wieder zugeschlagen: So betitelt der britische „New Musical Express“ ein aktuelles Interview mit Morrissey, dem Ex-Sänger der Smiths. In England tobt seitdem eine Rassismusdebatte. Morrissey, selbst Nachkomme irischer Einwanderer und inzwischen in Italien ansässig, äußert in dem Gespräch sein Unbehagen über das Ausmaß der Einwanderung ins Königreich: „Je größer der Zustrom nach England, desto mehr verschwindet die britische Identität.“ Gleichzeitig distanziert er sich ausdrücklich von rassistischem Gedankengut – was die Massenblätter „Mirror“ und „Sun“ aber unterschlagen.

Der „New Musical Express“, einst maßgeblich in allen popmusikalischen Fragen, macht sich damit zum Lieferanten einer Empörungsindustrie, gegen die Morrisseys Anwälte nun vorgehen wollen. Sie monieren die reißerische Aufmachung und Betitelung des Interviews, von der sich inzwischen sogar der Journalist distanziert hat, der das Gespräch führte. Warum also die Aufregung? Trotz mancher Ungeschicklichkeit wirkt Morrissey im Interview nicht fremdenfeindlich, sondern eher wie ein Nostalgiker, der einer versunkenen Welt nachtrauert – und dabei nicht immer über seine Wortwahl nachdenkt. Ein Prinz Philip der Popmusik gewissermaßen: Der Gatte der Queen fällt regelmäßig mit missverständlichen Stilblüten aus der Rolle. Den Satz „British jobs for British workers“ wiederum haben weder der Popdandy noch der Prinz geäußert. Er stammt von Premierminister Gordon Brown – und hat deutlich mehr fremdenfeindliches Potenzial.

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