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Kultur: Museum Altona: Nieter und Nagelstreifen

Noch immer weht im Hamburger Hafen eine steife Brise, kreischen die Möwen, breitet die Elbe bei Moorwerder ihre Arme aus. Aber dort, wo nach dem Krieg Barkassen warteten, um Tausende Arbeiter hinüber zu den Werften zu schiffen - dort an den Landungsbrücken legen heute Touristenfähren ab: Die Fahrt zum Musical-Zelt, hingeduckt neben das Trockendock von Blohm + Voss, ist für "Buddy Holly"-Besucher inklusive.

Noch immer weht im Hamburger Hafen eine steife Brise, kreischen die Möwen, breitet die Elbe bei Moorwerder ihre Arme aus. Aber dort, wo nach dem Krieg Barkassen warteten, um Tausende Arbeiter hinüber zu den Werften zu schiffen - dort an den Landungsbrücken legen heute Touristenfähren ab: Die Fahrt zum Musical-Zelt, hingeduckt neben das Trockendock von Blohm + Voss, ist für "Buddy Holly"-Besucher inklusive.

Das ist nicht mehr der Hafen von Herbert Dombrowski. Als der in den fünfziger Jahren seine Leica ans Auge hob, blickte er auf Helgen und Schnürböden, in Funkenregen und Arbeitergesichter. Eine Werft neben der anderen. Von ihnen erzählen Dombrowskis Fotos, die das Altonaer Museum in Hamburg jetzt ausstellt.

Schwarz-Weiß zeigen die Bilder die Stahlkolosse und die Menschen, die sie erschaffen und zum Leben erwecken. Zwischen den Blättern einer Schiffsschraube, die sich nach allen Seiten aus dem Bild drängen, raucht ein Arbeiter, ganz klein. Ein Schweißer sitzt zentral vor dem ungeheuren Schiffsbug - so müssen im Mittelalter Steinmetze vor Kathedralen gehockt und gemeißelt haben. Zwischendurch eine Totale: Die Arbeiter wuseln um das Monstrum wie Ameisen, und bald wird daraus eine Majestät oder ein Titan. Und überall weiße Ziffern, flüchtig auf Metallteile gepinselt - für den Einzelnen ist es unmöglich, das Ganze zu übersehen. Dombrowski zeigt die Arbeiter nicht-funktional: in der Kantine beim Skat, die Gläser einer Hornbrille spiegeln die Zeitung des Tischnachbarn. Vor einem Dicken stehen leere Suppenteller und Bierflaschen, eine Zigarette glimmt über dem aufgestützten Ellbogen, das runde Gesicht glänzt vor Zufriedenheit. Ein Dritter macht einen Moment die Augen zu, das Kinn ist auf die Brust gerutscht, das Haar vom Schweiß angeklebt.

"Das Bild war schon fertig, er saß ja schon so da", sagt der heute 84-jährige Dombrowski. "Die Leica passt in meine Tasche, kein Teleobjektiv, kein Koffer. Rausgezogen, draufgedrückt. Das war alles." Er ist stolz darauf, nicht inszeniert zu haben. Als er Ende der fünfziger Jahre für Esso, VW, die United States Line arbeitete, brachte Dombrowski als einer der Ersten Reportageelemente in die Werbefotografie.

Die Fotos beantworten mit hoher Ästhetik technische Fragen - und diese Arbeitsprozesse sind es, die uns die Bilder erscheinen lassen wie aus einer anderen Zeit. Vier Männer sind zum Nieten nötig: Einer glüht den Niet, ein zweiter wirft ihn zum Nieter, der steckt ihn in das Loch mit dem Presslufthammer und plättet den Nietkopf, ein vierter Mann hält dagegen. Verglichen mit den videoüberwachten Industrierobotern der Postmoderne liegen diese Arbeitsprozesse eine Stufe über der Steinzeit. Verschwundene Welt.

Dombrowkis Fotos bieten denn auch eine Projektionsfläche für die einfache ehrliche Arbeit von damals. Ein alter Besucher der Ausstellung wirft sich in Pose und winkt ab bei Fragen nach "Schutzhelm" und "Schwimmweste". Und er fügt hinzu: "Schweißen kann heute jeder, das machen die Apparate ja alleine. Damals, unter solchen Bedingungen, war das eine Kunst!" Damals. Die Kriegsgeneration ist stolz auf ihre Leistungen. Der Großtanker "Esso Deutschland" überquerte die Weltmeere und zeigte: Wir sind wieder wer.

Den Lärm der Preßlufthämmer hörte man bis ans andere Elbufer - dem Nieter fiepten noch Stunden nach seiner Schicht die Ohren. "Viele Arbeiter von damals schauen sich die Ausstellung an", sagt Museumsleiter Torkild Hinrichsen, "und die hören heute erstaunlich gut." Es gibt also noch Hoffnung für die Walkman-Generation.

Die wird bald drüben in Finkenwerder den Airbus bauen. Ein Luftschiff bringt Arbeit für Hamburg. Viele werden im Elbtunnel stecken, auf den morgendlichen Stau fluchen und darauf, dass ihr Handy im Tunnel kein Netz empfängt. Mancher fährt mit der Fähre. Vielleicht steht ein Fotograf dort und knipst.

Sören Harms

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