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Außenansicht des geplanten Museums der Moderne an der Potsdamer Straße.

© Herzog & de Meuron Basel Ltd. mit Vogt Landschaftsarchitekten AG, Zürich / Berlin

Museum des 20. Jahrhunderts: Das neue Scheunenviertel in Berlin

Der Architekturwettbewerb ist entschieden, und alle Beteiligten zeigen sich beglückt: Am Kulturforum entsteht bis 2021 das "Museum des 20. Jahrhunderts" nach Entwurf der Basler Weltstars Herzog & de Meuron.

Alle waren bereits zur Pressekonferenz versammelt, auf der Arno Lederer, der Vorsitzende des Preisgerichts, den soeben gekürten Siegerentwurf für den Neubau des „Museums des 20. Jahrhunderts“ am Kulturforum vorstellen wollte – doch die Hauptperson des gestrigen Nachmittags fehlte noch. Dann endlich kam, flugverspätet, der Basler Jacques Herzog, der eine Teil des weltberühmten Architektenduos Herzog & de Meuron, dessen andere Hälfte die Öffentlichkeit meidet.

Aber wenn man so berühmt ist, darf man solche Eigenheiten pflegen, dann kann man auch die schier nicht enden wollenden Lobreden auf den eigenen Entwurf hinnehmen, die insgesamt fünf RednerInnen anstimmten. Die Brachfläche am Kulturforum, das Herzstück zwischen Neuer Nationalgalerie, Matthäikirche und Philharmonie samt Kammermusiksaal, dazu auf der anderen Seite der Potsdamer Straße noch die Staatsbibliothek – dieses Herzstück soll mit einem breit gelagerten, indes nicht sehr hohen Gebäude bebaut werden.

Und da schauten einige im übervollen Veranstaltungssaal erst einmal auf das undeutliche Bild, das an die Stirnwand geworfen wurde, sie schauten gewissermaßen vernehmlich. Ein aus der Ferne niedriger Bau mit einem flach geneigten Satteldach, so viel oder besser wenig war zu erkennen. Schnell machten Bezeichnungen die Runde wie Scheune, Reitstall, Markthalle, Festzelt, Bahnhof; und in der Tat hat der Entwurf von all’ diesen Bautypen etwas, sie sind ja miteinander verwandt. Als Jacques Herzog selbst das Wort ergriff, fiel die erlösende Bezeichnung „Archetypus“. Der Archetyp des gedeckten Hauses, doppelt so lang wie breit, das gegen Witterung schützende Satteldach der Längsachse folgend.

Das "Museum des 20. Jahrhunderts"

Ein Haus also, so etwas wie das Ur-Haus bekommen die Staatlichen Museen als Umhüllung ihrer Sammlung von Kunst des 20. Jahrhunderts. Die Hülle soll aus Backsteinen in der Farbe der im Entwurf allzu eng benachbarten Matthäikirche bestehen, in die in regelmäßigem Diagonalmuster Glasbausteine eingelassen sind. Das nachts leuchtende Bauwerk ist eine Spezialität der Basler.

Die unbestreitbaren Vorzüge, die großen Baugedanken des Entwurfs zeigen sich allerdings im Inneren. Denn da ist das Haus plötzlich kein Haus mehr, sondern eine überdachte Stadtlandschaft, mit einer großzügigen Wegekreuzung, einer breiten Freitreppe, mit Terrassen und Balkonen. Zwei Etagen liegen oberhalb des Straßenniveaus und nochmals zwei im Berliner Boden. Das alles ist großzügig, offen, kommunikativ.

Innenperspektive des neuen Kunsthauses.
Innenperspektive des neuen Kunsthauses.

© Herzog & de Mauron Basel Ltd., mit Vogt Landschaftsarchitekten Zürich / Berlin

Zwei Wege, zwei „Boulevards“ kreuzen sich mittig im Inneren, der eine längs zwischen Philharmonie und Neuer Nationalgalerie, der andere quer zwischen Staatsbibliothek und den Museen am Kulturforum. Eine ganz einfache Idee und genial, wie eben das Geniale meist ganz einfach scheint. Statt das Grundstück zuzubauen und den Passanten zu zwingen, fallweise um den Großbau herumzugehen, laden die beiden Boulevards zum Durchqueren ein. Vor allem der Kürzere von Straße und Staatsbibliothek aus hat das Zeug zu einer wahren Flaniermeile und könnte dem dahinter liegenden Museumsforum mit Gemäldegalerie und Kunstgewerbemuseum, die hinter abweisenden Fassaden doch Sammlungen von Weltrang bergen, den verdienten Zulauf bescheren.

Nun ist ein Museum zunächst einmal ein Sammlungshaus, ein begehbares Depot, wenn man so will; und wenn auch der Basler Entwurf die jüngere Entwicklung spiegelt, das Museum als zwangloses Forum der Bürgergesellschaft zu interpretieren, so steht doch die Präsentation der Kunstwerke im Mittelpunkt. Im Siegerentwurf wird der Museumsraum viergeteilt, in jene vier Quadranten, die sich durch die Wegführung ergeben. Wie die Räume aussehen werden, wollen die Architekten mit den Kuratoren erarbeiten: „Alle unsere Entwürfe sind nicht fertig, wenn wir sie vorstellen“, sagt Jacques Herzog, und „wirklich herausragende Architektur entsteht nur im Dialog“.

Lederer hob die baukulturelle Leistung der Teilnehmer hervor

Es gab weitere Preisträger, und Juryvorsitzender Lederer hat bewirkt, dass die Zahl der Anerkennungen – früher „Ankäufe“ – erhöht wurde. Lederer verwies nachdrücklich darauf, wie viel an „baukultureller Leistung“ von den Teilnehmern des Wettbewerbs erbracht wurde, von denen nur die Gewinner der drei Preise und der vier Anerkennungen in klingender Münze vergolten werden.

Auf den zweiten Rang setzte die Jury das dänische Büro Lundgaard & Tranberg, die in ihrer Heimatstadt Kopenhagen das Schauspielhaus gerade als ein heute so gefragtes Bürgerforum entworfen haben, und auf den dritten Platz das Berliner Büro Bruno Fioretti Marquez, die sich mit dem Um- und Neubau der Bauhaus-Meisterhäuser in Dessau exponiert haben. Anerkennungen wurden ausgesprochen für keine Geringeren als OMA, das Office for Metropolitan Architecture in Rotterdam und Ideenschmiede von Rem Koolhaas; ferner für das japanische Duo Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa/SANAA – sie haben zum Beispiel das New Museum in Lower Manhattan entworfen –, dann für Volker Staab – der kürzlich mit dem Erweiterungsbau des Bauhaus-Archivs betraut wurde – sowie für Aires Mateus & Associados aus Lissabon, die gerade im schweizerischen Lausanne ein Doppelmuseum bauen.

Nicht zum Zuge kamen erfahrene Museumsbaumeister wie Dominique Perrault, David Chipperfield oder Sauerbruch Hutton; und gar nicht erst eingeladen war Stephan Braunfels, der die Münchner Pinakothek der Moderne entworfen hat und sich gestern Nachmittag per Mail bitter beklagte. Kein Wettbewerb macht allumfassend glücklich.

"Auf dieses Bauvorhaben schaut die ganze Welt"

Dieser jedoch schon, wollte man den gestrigen Festrednern glauben. Alle, alle sind aufs Höchste erfreut über den Entwurf von Herzog & de Meuron, die ihren Rang erst in diesem Jahr mit dem Anbau der Tate Modern in London unterstrichen haben, nachdem sie bereits für den Erstling dieses Museums, den Umbau eines Kraftwerks, gefeiert worden waren. Und für zahllose andere Bauten überall.

Da kann es nur nützen, mit solchen Namen aufwarten zu können; denn „auf dieses Bauvorhaben schaut die ganze Welt“, gab Kulturstaatsministerin Monika Grütters die Tonlage vor. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Dachorganisation der Staatlichen Museen, nannte den Entwurf einen „Glücksfall“ und erklärte, „2021 ein wunderbares Gebäude der Öffentlichkeit übergeben“ zu wollen. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher – auch sie sprach, obgleich Berlin das Verfahren mit der Bundestagsentscheidung zur Bewilligung von 200 Millionen Euro aus der Hand gegeben hatte – sagte schlankweg, „dieser Bauplatz“ sei „der richtige“, obgleich sie doch zu denjenigen zählte, die unbedingt das unbebaute, viel zu kleine Hinterhofgrundstück an der Rückseite der Neuen Nationalgalerie als Alternative hatten berücksichtigen wollen. Schwamm drüber.

Eine wichtige, eine weitreichende Entscheidung ist gefallen. Jetzt kann und muss daran gearbeitet werden, das Beste aus dem Entwurf herauszuholen – und dabei seine Großzügigkeit zu bewahren.

Ausstellung aller Entwürfe ab 17. November am Kulturforum. Näheres folgt.

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