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Brille des Impressionismus. Maxime Maufra malte 1892 seine winterliche „Paysage, poëlan, landes et sapins sous la neige“.

© MuT

Museum: Weitblick im Keller

Ein Galerist und die Uni kooperieren. Das Ergebnis ist das Bochumer „Museum unter Tage“ – mit einer herausragenden Sammlung.

MuT steht als Abkürzung für das neue Bochumer Museum unter Tage. Aber es schwingt darin auch etwas mit von dem Mut, den es braucht, mitten im Ruhrgebiet ein Museum zu bauen. Sieben Meter tief in den Schlosspark Weitmar, vorbei an einem kleinen Kohleflöz. Dabei geht es nicht um die Vergangenheit des Reviers. Auf über tausend Quadratmetern wird hier fantastische Landschaftsmalerei aus sechs Jahrhunderten gezeigt.

Oberirdisch sichtbar sind nur drei kleine Pavillons für Eingang, Technik und Notausgang, ihre nahe Umgebung wurde vom Künstler Erich Reusch gestaltet. Das Museum, für sieben Millionen Euro gebaut, ist der letzte Komplex von „Situation Kunst“ – ein Gebäudeensemble, das seit 1988 stufenweise entwickelt wurde und internationale Gegenwartskunst beherbergt. Initiiert hat es Alexander von Berswordt-Wallrabe, der Ende der sechziger Jahre die Galerie m Bochum gründete und dort bis 2003 Künstler wie Richard Serra, François Morellet oder Lee Ufan vertrat. Sein Engagement für das Museum entwickelte sich aus der langjährigen Freundschaft mit Max Imdahl, der 1965 den ersten Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität bekam und sofort zeitgenössische Kunst auf den Lehrplan setzte. Sukzessive entstand die Idee, den Kunstsammlungen der Universität einzelne Arbeiten bis hin zu ganzen Environments zu übergeben und damit zugänglich zu machen. So entwickelte sich „Situation Kunst (für Max Imdahl)“ bis zum jetzt letzten Baustein.

Getragen wird das Projekt inzwischen von einer Stiftung, die den Sammlungen angeschlossen ist. Studenten der Kunstgeschichte können nicht nur in der Sammlung an den Objekten studieren. Sie arbeiten auch als Museumsführer, schreiben Katalogtexte, kuratieren Ausstellungen und sammeln so praktische Erfahrung.

Die Eröffnungsausstellung im MuT zeigt mit „Weltsichten“ fast 300 Werke aus der ständigen Sammlung. Später wird ein Drittel der Museumsfläche wechselnden Präsentationen vorbehalten sein. Auf dem Weg aus dem Schlosspark mit seinem alten Baumbestand hinunter in die Tiefe stößt der Besucher auf den Neon-Schriftzug „Nichts ist, wie es war“. Ein Blick auf Landschaft öffnet immer auch den Blick auf die Welt – das ist die Behauptung der Schau.

Wie ein Bunker. Der Eingangsbereich zum neuen Museum unter der Erde.
Wie ein Bunker. Der Eingangsbereich zum neuen Museum unter der Erde.

© MuT

Wie haben Künstler auf ihre Umwelt reagiert? Mit Visionen, Kritik an Krieg und Umweltzerstörung oder Gegenbildern? Unter Tage beginnt der Rundgang mit der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, in dem gemalte Landschaften nicht länger Staffage waren, sondern autarkes Motiv. Meister wie Jan van Goyen, Joos de Momper oder Jacob van Ruisdael sind vertreten. Philips Wouwermans „Reisender bei der Rast vor tiefer Flusslandschaft“ gilt als eines seiner besten Bilder und war jahrhundertelang in einer französischen Privatsammlung verschwunden. Detailreich wird vom Leben der damaligen Zeit erzählt, Kritik an Herrschaftsstrukturen geübt, aber auch geträumt von Bergen und wilden Wäldern.

Idylle, Sehnsucht und Illusion beherrschen das 19. Jahrhundert, später tauchen Werke von Paul Cézanne und Lovis Corinth auf. Doch Berswordt-Wallrabe, aus dessen Sammlung ein Großteil der Werke stammt, kommt meist ohne große Namen aus – weil er in seiner Zeit als Galerist mit sicherer Hand herausragende Beispiele der vermeintlich zweiten Garde erwarb.

Der Weg durch die Schau führt vom klassischen Ölbild bis zur aktuellen Video-Sound-Installation. Akzente setzen Gemälde von Ludvig Munthe und Gustave Courbet oder ein Frühwerk von Christian Rohlfs. Nie geht es um das reine Abbild, das Augenmerk gilt den Brüchen in der Landschaftsdarstellung. Die Architektur des Museums erweist sich als zurückhaltend und setzt die Kunst ins perfekte Licht. Je näher die Gegenwart rückt, desto mehr schleichen sich Themen wie Einsamkeit und Entfremdung in die Bilder. Das von Katastrophen geprägte 20. Jahrhundert bestimmt die Werke von Max Slevogt, Franz Radziwill und später Arnulf Rainer. Malerei, Fotografie und Videos aus den jüngsten Jahrzehnten zeigen, wie sich Künstler heute mit der Gesellschaft auseinandersetzen

„Nichts wird sein, wie es ist“ – mit diesem Neon-Zeichen entlässt das Museum unter Tage seine Besucher in den Park, der Landschaft, Architektur und Kunst perfekt miteinander verbindet. Ein guter Ort, um weiter über das Verhältnis von Mensch und Natur nachzudenken.

„Weltsichten“, Situation Kunst, Nevelstr. 29c (im Park von Haus Weitmar), Bochum; bis Herbst, Mi–Fr 14–18 Uhr, Sa/So 12–18 Uhr, www.situation-kunst.de

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