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Kultur: Musik in Berlin: Alle für einen. Yakov Kreizberg verabschiedet sich von der Komischen Oper

Wer Yakov Kreizberg bei den letzten Premieren der Komischen Oper - "Elektra" und "Boris Godunow", die ursprünglich ganz auf ihn zugeschnitten waren - vermisst haben sollte, der konnte sich nun auch symphonisch von ihm verabschieden. Eine sonderbare Berliner Dirigentenkarriere, beeinträchtigt durch einige Querelen, ging damit zu Ende.

Wer Yakov Kreizberg bei den letzten Premieren der Komischen Oper - "Elektra" und "Boris Godunow", die ursprünglich ganz auf ihn zugeschnitten waren - vermisst haben sollte, der konnte sich nun auch symphonisch von ihm verabschieden. Eine sonderbare Berliner Dirigentenkarriere, beeinträchtigt durch einige Querelen, ging damit zu Ende. Dabei hatte sie verheißungsvoll begonnen. Den charismatisch-jungenhaften Dirigenten aus Rußland begleiteten von Anfang an Sympathie und Erfolge. Das Orchester der Komischen Oper gewann unter seiner Leitung ein schärferes Profil. Und es war schon eine kleine Sensation, dass im Hause Felsenstein mal nicht der Regisseur, sondern ein Dirigent den Ton angab. Mit Blumen, Geschenken und Dankesworten jedenfalls wurde Kreizberg am Schluss reich bedacht.

Auch musikalisch präsentierte sich der Abend in Bestform: Da herrschte kein Mangel an vibrierender Spannung und präzis ausbalancierter Farbenpracht. Der gewiss nicht unproblematischen zweiten Sinfonie von Sergej Rachmaninow, mit ihren sich unendlich weit verströmenden und bisweilen auch verrinnenden Lyrismen, fehlte es nicht an bestechenden Kontrasten, an Konzentration und scharfkantigen Klangformulierungen. Auch bei dem weit ausholenden Adagio ging Kreuzberg glücklicherweise der große Atem nicht aus - so wenig wie dem ausgezeichneten Solo-Klarinettisten, der zeigen konnte, über welch hohe Qualitäten das Orchester der Komischen nunmehr verfügt. Man reagierte mit spielerischem Engagement und beeindruckender dynamischer Spannweite auf die Ambitionen seines Chefs, der sich bisweilen mit russischer Gefühlstiefe in die Rachmaninow-Partitur versenkte.

Da war eben bis in die Nebenstimmen hinein der gesamte sinfonische Komplex kompromißlos durchgeformt, unromantisch straff, ohne Abschwächung seiner oft schroffen Gegensätze. Dem sarkastischen Scherzo bekam dies besonders gut. Auch der junge norwegische Violinvirtuose Henning Kraggerud - gewiss ein aufsteigender Stern am Geigerhimmel - spielte das Tschaikowsky-Konzert bei aller jugendlich glühenden, charaktervollen Musikalität nie mit übermäßiger Emphase, sondern mit hellwachem Verstand, mit filigraner Kantabalität und einem ganz eigenwüchsigen, kernigen Ton. Auch wenn im ersten Satz technisch einiges noch angestrengt wirkte: Ein Abschied der Extraklasse.

Eckart Schwinger

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