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Die Welt ist eine Scheibe. Paul (Félix de Givry) legt auf und produziert eigene Tracks.

© Alamode Film

Musikfilm "Eden": Beat des Lebens

Euphorie trifft Melancholie: Mia Hansen-Løve begleitet in ihrem ruhigen Coming-of-Age-Drama "Eden" einen französischen House-DJ durch die neunziger Jahre.

Eine Privatparty in Paris. Zwei junge Typen in bunten Jacken kramen hinter dem Tisch mit den Plattenspielern herum. Der Lockige (Vincent Lacoste) stupst den Langhaarigen (Arnaud Azoulay) an: Fertig machen für den Übergang zum nächsten Song. Regler runter, Regler rauf. Es dauert ein bisschen, bis der Beat seine volle Kraft entfaltet. Die DJs schauen erwartungsvoll in die Menge – es funktioniert.  Die Gäste tanzen, werfen die Arme in die Luft. Sie sind bei der Premiere von Daft Punks „Da Funk“ dabei – einem der größten Hits der neunziger Jahre und ein Klassiker des sogenannten French Touch oder French House.

Dieser Musik macht Mia Hansen-Løves nun 20 Jahre später mit „Eden“ eine 130-minütige Liebeserklärung. Sie erzählt aus der Perspektive des Studenten und DJs Paul (Félix de Givry) von dieser kreativen Blütezeit, während der in Paris und um Paris herum jedes Wochenende in stillgelegten Hallen oder auf irgendwelchen Feldern wilde Partys gefeiert wurden. Zu Beginn besucht Paul mit seinem Comic-Zeichnerfreund Cyril (Roman Kolinka) eine solche Feier. Ein Wald, eine Art Verließ, Drogen und die Musik, die ihn völlig verzaubert. Besonders Derrick Mays Mix von „Sueño Latino“ (übrigens mit einem Sample des Berliner Musikers Manuel Göttsching) hat es ihm angetan. Hier hört er genau das, was ihn an der House-Musik so fasziniert: Die Verbindung von kühlen Beats und warmen melodischen Elementen. Er beschreibt es einmal als das Aufeinandertreffen von Melancholie und Euphorie, die Verbindung von Heiß und Kalt.

Distanziert beobachtet die Regisseurin ihren Protagonisten

Solche Musik will er auch machen und gründet mit einem Freund das Produzenten- und DJ-Duo Cheers. Paul hängt sich rein, lässt sein Studium schleifen, und wären wir in einem Hollywoodfilm folgte jetzt eine glorreiche Aufstiegsgeschichte. Doch so läuft es hier nicht. Daft Punk – über die man einen derartigen Film vielleicht drehen könnte – sind hier nur die Nebengeschichte und der Running Gag. Den beiden nur als Roboterhelmträgern bekannten Musikern wird in zivil ein paar Mal der Zutritt zu Clubs verwehrt, weil sie angeblich nicht auf der Gästeliste stehen. Dafür sind drei ihrer Stücke prominent in „Eden“ platziert, quasi als bekannte Sound-Matrix, vor der sich die bescheidene Karriere von Cheers abspielt. Als Paul „Da Funk“ bei der Hausparty hört, sagt er anerkennend: „Das ist genial. Moderne Discomusik.“

In langen ruhigen Kapiteln zeigt Hansen-Løve, wie die Clubs größer werden, in denen Cheers auflegen, wie sie eine eigene Radiosendung bekommen und sogar einmal nach New York eingeladen werden. Durch das beschauliche Tempo entsteht das Gefühl, man beobachte Paul beim Nicht-erwachsen-werden-Wollen. Seine Beziehungsunfähigkeit, seine Drogen- und Geldprobleme – alles wird schleichend schlimmer, was Mia Hansen-Løve distanziert und lakonisch in Szene setzt. Dieser kühle Blick auf ihren Anti-Helden, dessen Biografie lose auf der ihres Bruders Sven basiert, mit dem sie das Drehbuch schrieb, mag zunächst irritieren. Doch letztlich ist diese Erzählhaltung konsequent, spielt doch die Musik in „Eden“ die Hauptrolle. In den ausführlichen Dancefloor-Szenen mit den klug ausgewählten Tracks kommt tatsächlich eine Ahnung davon auf, welche Atmosphäre damals in der Pariser Szene geherrscht hat. Es muss ein großer Spaß gewesen sein.

Paul, du musst dein Leben ändern

Doch irgendwann geht die Zeit über Cheers hinweg, die ihren Stil nie groß verändern. Spätestens als ein Clubbesitzer bei seiner Nörgel-Kritik an dem DJ-Duo den Namen David Guetta erwähnt, ist klar: Paul muss sein Leben ändern.

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