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Kultur: Mutterland

PANORAMA Oh, Bob: „Absolute Wilson“

Soll der Titel eine Anspielung auf Bobs Lieblingsgetränk sein? Katharina Otto- Bernsteins Porträt des amerikanischen Genies, das die Theaterwelt verändert hat wie sonst kaum einer, gleicht einer Expedition in die Kindheit. In diesem Jahr feiert Robert Wilson seinen 65. Geburtstag, und man erlebt ihn hier offen und privat wie selten. Waco, Texas: Er wächst auf in der streng geordneten Welt des baptistischen Südens. Big Sky. Bush-Country. Der Junge stottert, hält sich von den anderen fern. Die Begegnung mit Byrd Hoffman, einer Dame, die in Waco Ballettunterricht für Kinder gibt, verschafft ihm Luft: zu sprechen, auf Menschen zuzugehen. Er will Künstler werden, und er ist schwul. 1962 kommt er in New York an, studiert Architektur, vertieft sich in die abstrakten Tänze von Balanchine, Cunningham und Cage. Das prägt seine Imagination. Wilsons erste eigene Performances: Bewegungsstudien.

Form ist Freiheit. „Absolute Wilson“ streift durch ein Lebenswerk, das seinesgleichen nicht hat. Oper, Schauspiel, Wilsons Märchenwelt: In den siebziger Jahren kommt der Weltruhm, mit den Spektakeln „Einstein on the Beach“, „A Letter to Queen Victoria“, „The Life and Times of Josef Stalin“. Autobiografische Werke im grafischen, geometrischen Sinn. Da sieht man das Bild seiner Mutter, einer schönen, stets gepflegten, verschlossenen und distanzierten Person – ein Phänotyp, den man aus Wilsons Bühnenkreationen kennt. Bob im Mutterland.

Der Mann hat einen unermesslichen künstlerischen Appetit, sagt Susan Sontag. Auch mit ihren Texten hat er gearbeitet; es gibt nichts, was Wilson nicht in ein Stück Wilson verwandeln kann. Da ist er wie Walt Disney. David Byrne meint, dass neben Wilsons Inszenierungen fast alles andere auf dem Theater altmodisch aussehe. Nun, Wilson ist ein Schöpfer der klassischen Moderne. Alt und neu sind hier missverständliche Begriffe. Fünf Jahre hat Katharina Otto-Bernstein den Meister begleitet. Ein überaus ruhiger Film. Der durch die Welt rasende Regisseur – heute ist er mal wieder in Berlin – ist hier eine gut gelaunte, ausgeruhte Kunstfigur.

Heute 17 Uhr und am 13.2., 14.30 Uhr (Cinestar 7), 15.2., 15.30 Uhr (Colosseum 1), 19.2., 14.30 Uhr (Cinestar 7)

Rüdiger Schaper

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