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Kultur: Nach dem Ausstieg von Yakov Kreizberg brauchen Berlins Opern neue Perspektiven

Auf die Kulturpolitik hat Yakov Kreizberg nicht mehr hoffen wollen. Nicht einmal mehr auf den neuen Kultur-Staatssekretär Alard von Rohr, mit dem Berlins Opernmanagern endlich ein sachkundiger Gesprächspartner gegenübersteht.

Auf die Kulturpolitik hat Yakov Kreizberg nicht mehr hoffen wollen. Nicht einmal mehr auf den neuen Kultur-Staatssekretär Alard von Rohr, mit dem Berlins Opernmanagern endlich ein sachkundiger Gesprächspartner gegenübersteht. Vorgestern abend kündigte Kreizberg an, dass er seinen Posten als Generalmusikdirektor der Komischen Oper vorzeitig zum Ende der Saison 2000/2001 verlassen wird, und zog damit die letzte Konsequenz aus einem lange schwelenden Streit um die finanzielle Ausstattung der Komischen Oper und ihres Orchesters.

Wieder einmal geht es also um Geld: Allein die von Kreizberg verlangte tarifliche Höhergruppierung des Orchesters würde 750 000 Mark pro Jahr kosten, bezöge man Chor und Ballett mit ein, sogar 1,1 Millionen. "Das ist eine Summe, die wir nicht von selber aufbringen können", erklärt Albert Kost, der Intendant der Komischen Oper. "Im Moment ist ja noch nicht einmal geklärt, ob die durch den letzten Tarifabschluss entstandenen Mehrkosten von 1,7 Millionen uns ersetzt werden." Kost sieht in der Reaktion seines Chefdirigenten ein Alarmsignal an die Kulturpolitik. Einerseits habe die Komische Oper den Anspruch, das gesamte Opernrepertoire vom Barock bis zur Gegenwart abzudecken, müsse andererseits aber mit 25 Millionen weniger pro Jahr auskommen als die beiden anderen Berliner Opernhäuser. Wiederholt seien Kreizberg und er bei Kultursenator Radunski vorstellig geworden, um eine Etataufstockung zu erreichen, hätten aber keine definitiven Zusagen erhalten.

Mehr Geld für Orchester, Neuinszenierungen und Gastsolisten wollte Kreizberg vor allem, um an der Komischen Oper das "große" Repertoire des 19. und 20. Jahrhunderts spielen zu können: Wagners "Meistersinger", hatte er wiederholt gefordert, gehörten an sein Haus. Ein Kurs, der freilich Konflikte mit den anderen Opernhäusern provoziert hätte. Denn die großen Wagner- und Strauss-Opern sind auf den Berliner Spielplänen fast alle schon als Repertoire-Doubletten vorhanden, sowohl Deutsche Oper als auch Staatsoper besitzen mit Christian Thielemann und Daniel Barenboim Chefdirigenten, die sich vor allem über ihre Kompetenz in diesem Repertoirebereich definieren. Leichtere Spielopern und anspruchsvolle Operetten führen dagegen derzeit ein Schattendasein auf den Spielplänen, auch weil sie für aufstrebende Dirigenten nur wenig Profilierungschancen bieten. Andreas Homoki, ab 2002/2003 als Nachfolger Harry Kupfers neuer Chefregisseur und in dieser Spielzeit mit einer Neuinszenierung von Léhars "Lustiger Witwe" am Haus vertreten, hat bereits erkannt, dass hier die eigentliche Profilierungschance der Komischen Oper liegt. Man müsse die Intimität des Hauses nutzen und dort Mozart und Rossini spielen, erklärte er gegenüber dem Tagesspiegel.

Ein Konflikt mit dem Generalmusikdirektor war demnach auch von dieser Seite her programmiert: Weder wäre der neue Chefregisseur zu einer Spar-Version der großen Opern bereit gewesen noch hätte angesichts der chronisch angespannten Haushaltslage irgendein Kultursenator wohl jemals das Budget der Komischen Oper entscheidend aufstocken können.

Der Rücktritt Kreizbergs weist so tatsächlich zurück auf die Berliner Kulturpolitik und zeigt, wie gut die neue Kultursenatorin Christa Thoben daran tat, sich einen Opernfachmann an die Seite zu holen: Denn die drei Opernhäuser sind mit knapp 230 Millionen Mark nicht nur der größte Einzelposten im Kulturetat, sondern auch der empfindlichste Teilbereich des Ressorts: Seit Jahren schwelt vor allem die Rivalität zwischen Staatsoper und Deutscher Oper, ist jeder Streit um Zulagen und Etatkürzungen zugleich einer um künstlerische Priorität.

Hier ein klares Konzept für die Profilierung der drei Opernhäuser vorzulegen, ist die wohl dringendste Aufgabe des neuen Staatssekretärs und eines der größten Versäumnisse der bisherigen Kulturpolitik. Wie sehr die Zeit für eine solche Richtliniensetzung drängt, zeigen gerade die Entscheidungen über die künftigen Chefdirigenten an Staatsoper und Deutscher Oper: Bis Jahresende, so hatte der neue Intendant der Deutschen Oper, Udo Zimmermann, im Tagesspiegel verkündet, werde ein Nachfolger für den zurückgetretenen Thielemann gefunden sein - die Verhandlungen mit Wunschkandidat Kent Nagano stehen offenbar kurz vor dem Abschluss. Bis Jahresende wollte sich auch Daniel Barenboim entscheiden, ob er seinen Vertrag an der Lindenoper verlängert. Informationen aus der Kulturverwaltung zufolge hängt Barenboims Vertragsverlängerung allein an den finanziellen Forderungen, die er für sich und die Staatskapelle stellt. Eine solche Besserstellung wäre jedoch nach Ansicht von Zimmermann, der das Orchester der Deutschen Oper gerade erst zum befristeten Verzicht auf seine umstrittene Medienpauschale bewegen konnte, "keinesfalls hinzunehmen und skandalös".

Jörg Königsdorf

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