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Regiemeister. Michael Haneke, 70, ist mit „Liebe“ für fünf Oscars nominiert, u.a. als bester Film, für Drehbuch und Regie. Die Oscargala findet am Sonntag statt. Foto: Reuters

© REUTERS

Oscar-Favorit Michael Haneke mit Mozart in Spanien: Nach Generalprobe verreist

Oscar-Kandidat Michael Haneke inszeniert „Così fan tutte“ in Madrid. Zur Premiere am Samstag weilt er jedoch in Los Angeles.

Das Teatro Real ist eine Festung des Schweigens. Am kommenden Samstag bringt der österreichische Regisseur Michael Haneke in Madrid seine Inszenierung von Mozarts „Così fan tutte“ auf die Bühne, einen Tag vor der Oscar-Verleihung in Los Angeles. Mit seinem Film „Liebe“ ist Haneke gleich fünf Mal für die Academy Awards nominiert, als bester Film, für Drehbuch und Regie, für Hauptdarstellerin Emanuelle Riva – und für den Auslands-Oscar. So viele Chancen für einen fremdsprachigen Film, das gab es noch nie in der Geschichte der Oscars. Die Terminkollision bringt das Opernhaus in die Bredouille. Bei der Premiere wird der Regisseur in Los Angeles sein.

Seit Sommer 2012 ist Haneke mit dem Opernprojekt in der spanischen Hauptstadt befasst. Im Mai hatte er in Cannes die Goldene Palme für sein Alters- und Sterbedrama „Liebe“ mit Riva und Jean-Louis Trintignant gewonnen, um daraufhin mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt zu werden, darunter dem Europäischen Filmpreis Anfang Dezember in Malta. Viel Preis, viel Rummel: In den letzten drei Monaten schirmte das Haus den für seine akribische Arbeit berühmt-berüchtigten Regisseur weitgehend ab.

Mitte Dezember hatte Haneke neben den Proben mit dem Ensemble mehrtägige Castings abgehalten, um zusätzlich Darsteller ohne Singrolle zu engagieren. Das löste einen großen Andrang aus: Auch viele Schauspieler haben unter der spanischen Wirtschaftskrise zu leiden. Alle Mitwirkenden sind zu Stillschweigen verpflichtet. Zu hören ist lediglich, dass täglich hochkonzentriert über zehn Stunden mit den Sängern gearbeitet und es ein modernes Bühnenbild geben wird, mit überwiegend in Weiß gehaltenen Innenräumen einer Villa.

„Così fan tutte“ ist die zweite Opernarbeit des bekennenden Mozart-Liebhabers Haneke. Schon beim ersten Mal war es Gerard Mortier, der den Filmemacher zum Ausflug auf die Musiktheaterbühne überreden konnte. Der frühere Salzburger Intendant hatte den Österreicher 2006, im Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart, in die Pariser Opéra Garnier zu einer „Don Giovanni“-Inszenierung eingeladen. Sie löste kontroverse Reaktionen aus.

Seit 2010 ist Mortier künstlerischer Direktor in Madrid und hat dort begonnen, neue Schneisen in den bislang eher traditionell geprägten Spielplan zu schlagen. So wurde am 22. Januar „The Perfect American“ uraufgeführt, eine Oper von Philip Glass über das Leben des DonaldDuck-Erfinders Walt Disney. Für die kommende Spielzeit plant Mortier zwölf Neuinszenierungen, davon allein sechs Uraufführungen. Das außergewöhnlichste Projekt: die Opernadaption von Ang Lees Erfolgsfilm „Brokeback Mountain” über die Liebe zweier homosexueller Cowboys. Die Premiere des auf einer Kurzgeschichte von Annie Proulx basierenden Stücks mit der Musik von Charles Wuorinen ist für Ende des Jahres angesetzt. Nur seinen Herzenswunsch – eine Gastinszenierung des spanischen Kulturfilmers Pedro Almodóvar – kann Mortier so schnell noch nicht realisieren. Und um der zuweilen aufkommenden Kritik zu begegnen, er vernachlässige konservative, populäre Opern, hat er ausdrücklich den „Barbier von Sevilla“ ins Programm genommen.

Die Situation des Teatro Real ist prekär. Infolge der Wirtschaftskrise wurden die staatlichen Zuwendungen nahezu halbiert. Allein in diesem Jahr muss das Opernhaus erneut mit elf Millionen Euro weniger auskommen. Jetzt will man den Anteil der privaten Sponsoren deutlich erhöhen, um aus der Misere herauszukommen. Auch ein Gastspiel der Berliner Philharmoniker ist vom Sparzwang betroffen. Eigentlich sollte Simon Rattles Truppe Ende Juni Mozarts „Zauberflöte“ präsentieren; stattdessen werden die Philharmoniker nun an drei Tagen Beethovens „Neunte“ spielen. Das spart die Hälfte der ursprünglich veranschlagten Kosten von 1,5 Millionen Euro.

Michael Haneke, schwärmt Intendant Mortier, mache enorme Arbeit: „Er ist ein sehr anspruchsvoller Regisseur, aber kein Tyrann“. Der 70-Jährige verfolge mit Strenge und Ungeduld die Realisierung seiner Ideen und habe großes Qualitätsbewusstsein. Davon können auch die Produzenten ein Lied singen, mit denen Haneke seine Filme realisiert. „Liebe“ spielt in einer Pariser Altbauwohnung, die Haneke nach der Wiener Wohnung seiner Eltern gestaltet hat: mit penibel nachgeschreinerter Eichenbibliothek, Originalfenstern und echtem Parkett. Bei „Così“ gilt der Aufwand vor allem der Arbeit mit den Sängern und Schauspielern.

Die Geschichte sei eigentlich an den Haaren herbeigezogen: Dass Mozart „drei sich langweilende Pärchen“ und eine Wette auf die Treue der Frauen in den Mittelpunkt von „Così fan tutte“ stellt, hatte Haneke im Vorfeld ironisch kommentiert. „Da muss man sich was einfallen lassen, damit der Zuschauer die Geschichte glaubt“, so der Regisseur im „Zeit“-Interview. Was das Libretto betrifft, sei es vielleicht die schwächste Mozart-Oper: „Es ist manchmal ziemlich dämlich, was die einzelnen Herrschaften so von sich geben. Aber musikalisch ist es wahrscheinlich Mozarts schönste Oper.“ Haneke möchte glaubhaft machen, dass jeder Mensch verführbar ist. Das „ziemlich bittere“ Stück habe im Kern „eine Wahrhaftigkeit und einen Ernst, dass man erschrickt“.

Mitte Januar unterbrach Haneke seine Arbeit in Madrid und reiste zur Verleihung des Golden Globe für „Liebe“ als bestem ausländischem Film nach L.A. Dass der Regisseur auch am Samstag in Hollywood sein wird, weiß Operndirektor Mortier. Bis zur Generalprobe bleibt Haneke in Madrid, in der Hoffnung, dass auch danach alles zu seiner Zufriedenheit verläuft. Und für die Premiere bereiten sie gemeinsam eine Mitteilung an das Publikum vor, um zu erklären, warum der Regisseur nicht anwesend sein kann. Gerd Nowakowski

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