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Peter Herbolzheimer

© dpa

Nachruf: Peter Herbolzheimer: Big Boss

Zum Tod des Jazzmusikers Peter Herbolzheimer. Seine Bigband „Rhythm Combination & Brass“ war wohl die beste Fusion-Jazz-Formation des europäischen Kontinents. Und Herbolzheimer beherrschte die Kunst der Selbstironie. Jetzt ist er mit 74 Jahren gestorben.

Die Lockerung der Sitten zeigte sich in den siebziger Jahren auch am Zustand der Oberbekleidung. Plötzlich traten im Fernsehen Orchestermusiker auf, die nicht mehr in einheitlicher Abendgarderobe steckten. Es waren größtenteils krawattenlose Herren in bunten Hemden und Cordsakkos, manche nickelbebrillt oder mit mächtigen Koteletten. Vor ihnen, mit dem Rücken zum Publikum, stand ein übergewichtiger, schwarz gekleideter Mann, der mit lockeren Bewegungen aus der Armbeuge die Einsätze gab. Peter Herbolzheimer verströmte eine besonders lässige Form von Autorität, seine Bigband, die „Rhythm Combination & Brass“, war zu diesem Zeitpunkt die wahrscheinlich beste Fusion-Jazz-Formation des europäischen Kontinents. In „Bio’s Bahnhof“, ausgestrahlt aus einem alten Bahndepot in Köln-Frechen, begleitete die buntscheckige Truppe ab 1978 Stars wie Sammy Davis Jr. oder Helen Schneider und half, eine aufregend neue Form von Live-Fernsehen zu etablieren.

Peter Herbolzheimer, der am Samstag mit 74 Jahren in einem Kölner Krankenhaus gestorben ist, beherrschte die Kunst der Selbstironie. Er ließ sich gerne von Alfred Biolek als „Mampfred Bogart“ verspotten und nannte sich auf Plattencovern „Fatman“. Am letzten Tag des Jahres 1935 in Bukarest geboren, kam er 1951 nach Deutschland, machte sein Abitur in den USA und spielte als Posaunist in der Bigband von Bert Kaempfert. Den Tanzkapellenswing und Bebop der Nachkriegsära ließ Herbolzheimer endgültig hinter sich, als er 1969 seine Rhythm Combination & Brass gründete. Schon der Name signalisierte das umstürzlerische Programm: Mit zwei Keyboards, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Percussions war die Rhythmusgruppe genauso stark besetzt wie die achtköpfige Bläserformation. Das verschaffte der Band größere Durchschlagskraft, der Groove wurde wichtiger als das Strahlen der Trompeten. Zur Besetzung gehörten Virtuosen wie Kenny Wheeler, Herb Geller, Jiggs Whigham, Volker Kriegel und Sigi Schwab. Die Alben „My Kind of Sunshine“, „The Catfish“ und „Hip Walk“ setzten europäische Meilensteine für einen ins Reich von Rock und Psychedelia vorstoßenden Jazz.

Herbolzheimer schrieb mit Dieter Reith und Jerry van Rooyen die Einzugsmusik für die Olympischen Spiele in München 1972, für Udo Lindenbergs Panikorchester lieferte er die Bläsersätze. Doch genauso erfolgreich war er als Musikpädagoge. Ab 1987 leitete er zwanzig Jahre lang das damals neu gegründete Bundesjazzorchester, eine Kaderschmiede, zu deren Schülern Till Brönner, Roger Cicero und Frank Castenier zählten. „Da bist du ja“, so hieß das erste Album, das Manfred Krug nach seiner Ausreise aus der DDR aufnahm. Initiiert wurde es 1979 von Peter Herbolzheimer. Da singt Krug mit Caterina Valente ein grandioses Abschiedslied: „Ade“. Christian Schröder

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