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Kultur: Nachsommer

Plácido Domingo als Parsifal an der Staatsoper: eine umjubelte Aufführung mit Daniel Barenboim

Parsifal ist Gralskönig. Seine Haare sind grau geworden auf der langen Irrfahrt. So gleicht der Sänger wieder eher dem Plácido Domingo, der sich vor drei Tagen ins Gästebuch der Stadt Berlin eingeschrieben hat. Mit letzten aus der Tiefe leuchtenden Tönen vermeldet die weltberühmte Stimme des Tenors, dass er den heiligen Speer zurückbringe auf die Gralsburg. Parsifal ist jetzt ein alter Mann, in der Karfreitagsszene geborgen in der schützenden Routine von Matti Salminen als Gurnemanz. Salminen indes, eingesprungen für den erkrankten René Pape, wirkt erstaunlich frisch, weil er in der Rolle immer noch staunen kann über die Prophezeiung: „Durch Mitleid wissend“, weil sein Bass schön rund klingt und der Interpret seine Erfahrung mit wacher Präsenz und Neugier verbindet. Er hat die längste Partie des „Bühnenweihfestspiels“, und man hört ihm gern zu.

Eine Aura von Nachsommer senkt sich auf den Fünfeinhalbstundenabend in der Staatsoper. Das hindert nicht, dass die jüngeren Sänger Hanno Müller-Brachmann als Amfortas bei „Waldes Morgenpracht“ und Chistof Fischesser als Klingsor fesselnde Wirkung erreichen. Oder dass Waltraud Meier als Kundry, eine „Höllenrose“ der zarten Verführung, ihr Niveau bewundernswert hält. Schließlich baut die Staatskapelle mit Daniel Barenboim am Pult Kathedralen von Klang, deren Architektur auch über die gedehnten Pausen des Vorspiels trägt. Unverbrüchlicher Richard Wagner.

Magnet des ausverkauften „Parsifal“ aber ist Plácido Domingo. Erinnerung an das sensationelle Ereignis Domingo in Bayreuth 1993 wird wach, weil der Darsteller hier wie dort mit großem Ernst das „tief mitleidvolle Naturell“ des Titelhelden verkörpert. Das fällt in dieser verunglückten Berliner Inszenierung von Bernd Eichinger, in der unentwegt Goldflöckchen über versammeltes Kulturgut schneien, allerdings schwerer als damals in der simplen von Wolfgang Wagner.

Vor vier Jahren machte Domingo den dritten Aufzug des „Parsifal“ in der Philharmonie zum Ereignis. Nach einer Aufnahme unter Christian Thielemann 2006 sagte er Vorstellungen der Rolle in der Bayerischen Staatsoper ab. Kalte Füße? Das Ringen des Erfolgssängers um die anspruchsvollste Dramatik im deutschen Fach ehrt ihn. Diesmal bleibt es beim Abglanz dessen, was wir an ihm lieben. Die Stimme markiert vielfach nur zwischen signifikanten Tönen, manche davon knicken weg wie auch der komplizierte Text, den die Souffleuse steuert. Und es fällt schwer, in dem 68-jährigen Sänger den reinen Toren zu sehen, den sie auf der Bühne dauernd als verrückten, schönen oder holden „Knaben“ ansprechen. Diese Realität strapaziert die Wesenswahrheit des Werkes: Domingo als überragende Legende. Ein teurer Nachklang wird gefeiert. Sybill Mahlke

Noch einmal am 9. März mit Robert Holl als Gurnemanz (ausverkauft)

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