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Kultur: Nationalpreis: Der lange Weg der Versöhnung

Manchmal sind Konfigurationen schon die halbe Ehrung. Ja, wenn sie gelingen, wird etwas erkennbar, was mehr ist als die Summe von Auszeichnung, Lobrede, Kammermusik, Blumenstrauss.

Manchmal sind Konfigurationen schon die halbe Ehrung. Ja, wenn sie gelingen, wird etwas erkennbar, was mehr ist als die Summe von Auszeichnung, Lobrede, Kammermusik, Blumenstrauss. Wenn, zum Beispiel, in der Universität Frankfurt an der Oder der amerikanisch-deutsche Historiker Fritz Stern - "ich bin am Ufer der Oder geboren" - den Satz sagt, gemünzt auf das Land jenseits der Brücke: "Das Land, das am meisten gelitten hat, hat am meisten geleistet." Wenn Joseph Rovan, alter Streiter im deutsch-französischen Verhältnis, im Rückblick auf den europäischen Aussöhnungsprozess der Nachkriegsjahre die Bemerkung fallen lässt: "Dafür haben wir uns ja auch ein wenig geschlagen." Oder wenn Tadeusz Mazowiewcki Namen nennt, die kaum einer kennt: Lothar Kreiyssig, Reinhold Lehmann, Manfred Seidler. Sie stehen für Vereinigungen - Aktion Sühnezeichen, Pax Christi, Bensberger Kreis -, die mit ihrem Einsatz den Wandel des deutsch-polnischen Verhältnisses betrieben haben.

Aber was wird erkennbar? Nichts geringeres als ein grosses Kapitel der Nachkriegsgeschichte. Ins öffentliche Bewusstsein hat es es die deutsche Nationalstiftung gehoben, die ihren diesjährigen Nationalpreis an den ersten demokratischen polnischen Ministerpräsidenten und den französisch-deutschen Publizisten und Kulturpolitiker verliehen hat. Zum ersten Mal ging der Preis an Nicht-Deutsche - an Repräsentanten "unserer beiden wichtigsten Nachbarn", wie es Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt formulierte. Er hat den Preis 1993 zusammen mit Freunden ins Leben gerufen, um, noch im Überschwang der Wende, die geistige Wiedervereinigung der Deutschen zu fördern. Einen "Hauch" von 1989 spürte im nüchternen Frankfurter Auditorium maximum denn auch Laudator Fritz Stern.

Dabei gleichen sich die Persönlichkeiten der Preisträger - von Stern knapp beschrieben - bei aller Unterschiedlichkeit von Temperament und Biographie doch in eigentümlicher Weise. Beide entstammen der Verbindung von eher linker Intellektualität und Katholizismus. Beide prägte das Leben im existentiellen Widerstand - Rovan in der Résistance, Mazowiecki als Mitglied von Solidarnosc. Beide gaben, als Publizisten, einen Ton an, der durchdrang. Stern erinnerte an Rovans Signal von 1945, den Aufsatz "Das Deutschland, das wir verdienen", das erstaunliche Dokument eines vorurteilslosen, kämpferischen Geistes, an einen Aufsatz Mazowieckis von 1971, der von der Unruhe handelt, die im Glauben lebt. Beiden verdanken die Deutschen auf ihrem Weg vom vorgestern nach heute viel. "Es hätte nach 1945 auch ganz anders kommen können", sagte Gesine Schwan, die Präsidentein der Viadrina, in ihrer Begrüssung. Stern, der Historiker, nickte.

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