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Wer ist die Schnellste. Sekretärin Rose (Déborah François) bereitet sich auf die Tipp-Weltmeisterschaft vor.

© Studiocanal

Neu im Kino: Die Königin der Schreibmaschine

Im Retro-Rausch: Die französische Filmromanze „Mademoiselle Populaire“ feiert die 50er Jahre und die Hochzeit der Schreibmaschine - allerdings völlig ironiefrei.

Vintage ist auch im Kino angesagt. Paul Larraín zum Beispiel hat seine Reise in die Pinochet-Diktatur („No!“) mit alter Videotechnik gedreht, um den grobkörnigen Look der 80er sinnlich nachzubilden. Oder wie wär’s mit den späten 50er Jahren, jene Zeit, als die Farben auf der Leinwand in Technicolor schmolzen, die Autos schön knuffig waren und Petticoats und Schmetterlingsbrillen der letzte Schrei? Mails schrieb man damals auf der Buckelschreibmaschine. Wobei das Tippen in vordigitalen Zeiten Frauensache war und mit der volkstümlichen Bezeichnung „Tippse“ als niedere Dienstleistung etikettiert wurde, bevor euphemistische Aufwertung die Büroassistentin erfand.

Für die Krämerstochter Rose Pamphyle (Déborah François) ist eine Sekretärinnenstelle jedenfalls der Traumjob. Eine solche Tätigkeit scheint in der nordfranzösischen Provinz die einzige Möglichkeit zu sein, der vorbestimmten Existenz als Hausfrau und Ehegattin des benachbarten Automechanikers zu entgehen und das normannische Dorf mit der mondänen Welt der nächsten Kleinstadt zu tauschen. Also bewirbt sich Rose gegen elterlichen Willen bei der Ein-Mann-Versicherungsagentur und wird genommen. Dabei glänzt die nicht besonders talentierte Bürofrau vor allem mit faszinierender ZweiFinger-Virtuosität an der Schreibmaschine und einem beim Tippen höchst attraktiven Nacken. Und der neue Chef (Romain Duris) ist nicht nur jung und alleinstehend, sondern auch noch halbwegs gutaussehend. Allerdings ist er psychisch so deformiert, dass er Rose zur Stärkung des eigenen Egos zur Weltmeisterschaft im Maschinenschreiben schickt.

Eine historisch verbürgte, aber sinnlose Kunst, deren Tippkämpfe Ko-Autor und Regisseur Régis Roinsard wie klassische Boxduelle mit Sekundant und Glocke in Szene setzt. Auch sonst kombiniert „Mademoiselle Populaire“ (nach einem erfundenen Schreibmaschinenmodell der früheren Firma Japy, die im Film als Sponsor von Wettkampfkandidatin Rose auftritt) die Regeln des Sportfilms mit denen der Liebeskomödien um Rock Hudson und Doris Day. Dabei geht Roinsard in seinem Retro-Rausch unglückseligerweise auch mit der Moral der Geschichte in jene Jahre zurück, als junge Frauen unter Erfolg noch die Eroberung eines wohlhabenden Ehemanns verstanden. So bleiben überraschende Wendungen aus, und (so viel sei verraten, Vorsicht Spoiler!) die Geschichte mäandert ohne erkennbare Ironie oder gar Widerstand einem doppelten Happy-End in Wettbewerb und Liebe entgegen.

Dass der ehrgeizige Zauderer dabei zum bindungsfähigen Ehemann geformt wird, mag weiblichem Gestaltungswillen zwar entgegenkommen. Aber eigentlich ist es ja eine gute Nachricht, dass „Populaire“, so der Originaltitel, in den französischen Kinos eher gefloppt ist. Bedeutet es doch, dass selbst unsere notorisch romantischen Nachbarinnen im Kino nicht mehr sehen wollen, wie die Berufswahl nur Mittel zum Erlangen des richtigen Eherings ist.

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