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Kultur: Neue Karrieren, alte Barrieren

Na dann.Die Einladung zur Großen Gesellschaft gilt.

Von Caroline Fetscher

Na dann.Die Einladung zur Großen Gesellschaft gilt.Aber der Tisch ist gedeckt, heißt es, und die Damen nehmen gar nicht oder halbherzig daran Platz.Ein prächtiges Bankett sei es, in bunter Reihe.Eifrig greifen die Herren wie stets nach den Schöpflöffeln und Fischgabeln und angeln sich, wonach ihnen der Sinn steht.Die Damen aber schauen ihnen verdrossen zu, als seien sie zu kurzsichtig, um Terrine und Tischschmuck zu unterscheiden.Was ist los?

Alles gibt es heute in unserer westlichen Demokratie, alles für beide Geschlechter, wie die Verfassung will: Wahlrecht, Schulpflicht, Zugang zu allen Ämtern und Universitäten, wilde Ehe, echte Ehe, Kinder, keine Kinder, Konto, Karriere.Und dennoch eine Barriere.Obwohl rund 50 Prozent der Studierenden an der Münchner Ludwig-Maximilans-Universität weiblich sind, repräsentieren Frauen dort kaum fünf Prozent des professoralen Lehrkörpers.Obwohl 55 Prozent der Konzertbesucher Frauen sind, gibt es nicht eine einzige Chefdirigentin.

Was fehlt? Zoomen wir zunächst in die Geschichte, heute, zum "Internationalen Tag der Frau." Am 8.März 1857 stürmten in New York Zehntausende von Frauen für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen die Straßen der City: Daran dachten ihre Geschlechtsgenossinnen, als sie das Datum 1911 zum Frauentag erklärten.In Italien schenken heute Kolleginnen einander Mimosen und feiern Feste.Mit Kitschgrußkarten und Blumen wurde der Tag in der DDR rituell begangen, der die Genossin ins Bewußtsein hob.Schön war das, erzählen die Frauen, trotz allem.Dann fügen sie hinzu: Ihr könnt sagen, was Ihr wollt, Kindergartenplätze immerhin gab es bei uns genug.

Na klar.Da verläuft eine Hauptschlagader der nötigen Reform, bei der Garantiert für Kinderbetreuung.Sie war auch eins der Anliegen unserer Großmütter, die vor achtzig Jahren das Frauenwahlrecht in Deutschland durchsetzten.Als sie dann wählen durften, wählten sie - konservativ.In der ersten Nationalversammlung im Januar 1919, von gleich vielen Männern wie Frauen gewählt, hielten die meist sozialistischen Parlamentarierinnen nur 8,7 Prozent der Sitze.(Aber immerhin mehr als die 8,3 Prozent Frauen, die das Impressum unserer Zeitung zieren.Das nebenbei.)

Wie wir wissen währte der Aufbruch ins Frauenrecht zunächst nicht lang, der Nationalsozialismus machte ihm den Garaus.Die Nachkriegsrepublik brauchte Jahre, bis die Frauen der Studentenrevolte ihre Mitstreiter als Machos attackierten.Von den Bauchtanzworkshops der Siebziger hätten Zetkin oder Luxemburg sich so wenig träumen lassen, wie von Judith Butler, der heute prominentesten Frauenforscherin.Die kalifornische Professorin für Gender Studies erklärt, Geschlechtlichkeit sei nichts als Konstruktion, ein System kultureller Symbole, das irrelevant werden kann.Faszinierend, aber eine neue "Frauenbewegung" bringen Butlers Thesen, außer in akademischen Kreisen, nicht hervor.

Die historischen Standardsätze der Frauenbewegung gehören inzwischen zu jedem Parteiprogramm.Selbst die CDU wartet mit Frau Schipanski auf.Doch die Öffentlichkeit will Frauen sehen wie Lady Diana (1997, eine Kollektiv-Fantasie von Frauen) oder Monica Lewinsky (1998, ein Produkt von Kenneth Starr).Reißt sich irgendjemand genauso um Hertha Däubler-Gmelin oder Madeleine Albright? Pop-Ikonen bewegen uns, aber weder die Amazonen von einst noch amtierende Politikerinnen.

Das Thema Frau spielt allenfalls noch eine größere Rolle, wo es um die öffentliche Hysterie angesichts von Männergewalt und Mißbrauch geht.Das aber, erläutert etwa Katharina Rutschky, leistet eher einer Paranoia Vorschub, die den Blick aufs Politische verstellt wie sie das Bild vom Liebesakt verzerrt.In ihrem neuen Buch "Emmas Schwestern.Ausflüge in den real existierenden Feminismus" (Hanser), erklärt Rutschky gar, der Feminismus setze "Frauen als Patentverfahren zur Reduktion von Weltkomplexität" ein.Den Frauen von heute attestiert sie eine "Beschwerdekultur".Bewußt strebten sie zudem in Positionen, die wenig Prestige und Gehalt versprechen.Sie werden Sozialarbeiterinnen, Krankenschwestern oder (Doris Schröder-Köpf!) Hausfrau und Mutter.Müssen sie jammern? Die Nicht-Amazonen in den Mama-Zonen nehmen doch bewußt in Kauf, daß ihre Renten um tausend Mark niedriger liegen, als die der Männer?

Wehe jedenfalls jenen, die sich nicht bescheiden.Hier verläuft die Front.Wo es darum geht, daß Frauen die sogenannte Glasdecke durchbrechen (the glass ceiling), die unsichtbare Trennscheibe vor Managementpositionen, C4-Professuren oder Kabinettsplätzen, erweist sich das Glas als Panzerglas.Putzfrauen brauchen keine Quote.Doch hier wird sie relevant.Interessant.Warum?

Dazu eine Geschichte.An Bord unseres Schiffes waren ebensoviele Frauen wie Männer.Der Kahn war bemalt mit Regenbögen und allerhand Meeressäugern, und die Crew war sich einig: Wir sind der Zeit voraus.Das ganze Geschnatter über Frauenbefreiung betrifft uns nicht.Es ging um die Meere, ihre Verschmutzung, ihr Schutz, das machte den großen Unterschied.Der kleine war egal.In einem Mittelmeerhafen stieß ein weiterer Teil der Crew zu uns, fünf Männer, fünf Frauen.Der Kapitän empfing sie mit einem Umtrunk.Er nannte die fünf Männer, und - Cheers! - hob er sein Glas auf ihr Wohl."Du hast alle Frauen vergessen!" warf da eine finnische Funkerin ein.Gelächter.Verlegenheit."Stell du sie doch vor", murmelte er, und mit einem Schreckschluck kippte er sein Glas.Die Finnin indes begrüßte die weibliche Crew, aber die Sache war nunmal geschehen - und machte sehend.

Sie geschieht immer noch.Frauen werden ausgeblendet, und das hat eine lange Tradition.Es ist recht unsinnig, Männer dafür zu hassen.Sie haben es so gelernt.Je höher jedoch Frauen beruflich aufsteigen, desto schwieriger wird es, sie nicht wahrzunehmen, und desto breiter wird die Barriere zur Karriere.Sicher, Gesetze zur Gleichberechtigung muß es geben.Aber ihr Übersetzen in Respekt läuft langsam.Es ist kein Geschenk der Männer, sondern ein weiteres Stück aktiver Auseinandersetzung, und sei es - als Übergang - mittels Quoten.Diese Auseinandesetzung wird subtiler, klüger, ironischer sein müssen, als die Kämpfe um die "Hardware", um die Gesetze, denn jetzt geht es um die "Software", das Bewußtsein.

Alle gescheiten Frauen kennen das, alle amüsiert es: Sie machen auf einer Sitzung einen guten Vorschlag - er wird von der Männerrunde ignoriert.Minuten später wiederholt ein Mann den Gedanken - Begeisterung.Es ist verblüffend.Raffinierte aber resignierte Frauen, die ihrem Betrieb unbedingt eine Idee vermitteln wollen, behaupten mitunter, sie käme von einem Kollegen.Das wirkt, aber eine Lösung ist es nicht.

Der gedeckte Tisch ist da, die Frauen sitzen dran, aber irgendwer schlägt ihnen den Löffel aus der Hand.Konversation geschieht über ihren Kopf hinweg, als gäbe es sie nicht.Nur die zähesten überstehen das.Und nur eine kleine Anzahl Männer hat bereits die zeitgemäße soziale Intelligenz entwickelt, vom antiquierten Männerbund Abstand zu nehmen.Das sind Zeitgenossen, die nicht mit gönnerhaftem Gestus erklären mögen: Meine Frau? Ach, die schreibt so hübsche Kinderbücher; die arbeitet halbtags als Buchhalterin; die ist ganz für die Kleinen da.Es sind die wachesten Männer, die hochqualifizierte Frauen achten.Sie biedern sich nicht als Feministen an, sie anerkennen durchaus die Geschlechterdifferenz, aber eswäre ihnen peinlich, aus ihr ein Spiel um Macht zu machen.Sie sind dafür zu intelligent.Sie diskutieren ganz einfach auchmit Frauen, ob es um Bilanzen geht, um Politik oder Pop, und weil das entspannend wirkt, ist es attraktiv.Unter gebildeten jüngeren Männern entwickelt sich dieser Typus zur Zeit gut.Im Umfeld heutiger "Karrierefrauen" von, sagen wir, Mitte dreißig, ist der Typus selten.Wie tief die symbolische Reichweite der Vorväterwelt ist, die das Verhalten der Männer prägt, wird ihnen selbst kaum bewußt werden, denn sie sind ja Filialleiter oder Physikprofessoren, nicht Historiker mit dem Spezialgebiet "Geschichte der Geschlechter".Das können sie auch nicht alle werden, es interessiert sie zuwenig.Außerdem brauchen wir ja in der Gegenwart weiterhin Ingenieure, Piloten, Dirigenten, Verleger, Rundfunkintendanten und Chefärzte - und mithin müssen wir, ironisch gebrochen, mit den Aufklärungsdefiziten der Männer leben.Aber nicht mit unseren.

Es wird dauern.Die größte Geduld, sowie eine Art geschichtsbewußter Weisheit, brauchen die begabtesten Frauen.Denn zu ihren Lebzeiten werden nicht alle von ihnen in die Position gelangen, wo sie der Gesellschaft und Wirtschaft von optimalem Nutzen wären.Einstweilen gilt es pragmatische Strategien bewußt zu fördern: Kindergartenplätze, genug und gratis.Eine Quote für Bewerberinnen mit gleicher Qualifikation.Und im Arbeitsalltag können exzellente Frauen die offizielle Devise der Blauhelmtruppen ausprobieren: "Fest, fair und freundlich".In dieser Reihenfolge.Alles andere nutzt nichts, weder Intrige noch entmutigtes Zurückstecken.

Der schönste Tag der Frau ist womöglich nicht der 8.März, sondern der 23.April in den Vereinigten Staaten.Er heißt dort "Take-our-Daughters-to-Work-Day".Alle Betriebe sind aufgefordert, Töchtern die Arbeitsorte ihrer Eltern zu zeigen.Mädchen, allein, in Gruppen oder Klassen, können sich ein realistisches Bild der Arbeitswelt machen, und ihre Väter oder Mütter dort erleben.So soll die Erwerbstätigkeit für die Mädchen konkrete Gestalt erhalten.Eine klasse Idee.( Informationen im Internet: http://inbox.timeinc.com/daughter ) Bonjour, Berichterstatterinnen.Fahrt doch da mal hin und beschreibt uns den Tag.

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