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Neue Theatersaison: Prater eröffnet mit Szenenreigen über den Tod

Man könnte glauben, dieser Gespensterabend markiere das müde Ende und nicht den Beginn einer Theatersaison – so uninspiriert, lustlos kriecht er über die Bretter des Praters der Berliner Volksbühne.

„Gute Nacht, du falsche Welt“ heißt das „Adieu in vier Szenen von Puschkin, Schikander und Troike“, wie Regisseur und Bühnenbildner Gero Troike seine Fantasie genannt hat, die sich um den Tod dreht, eher um die letzten Minuten oder Sekunden davor.

Gero Troike war früher Bildhauer und Regisseur in Berlin, doch seit über einem Jahrzehnt lebt er zurückgezogen in einem Forsthaus in einem sauerländischen Wald. Das Eremitenhafte sieht man seiner ersten Regiearbeit nach 15 Jahren an. Die Textfragmente und Dramolette sind so abseitig, dass die „Übersetzungsrechte nicht vollständig recherchiert werden konnten“, wie es im Programmheft heißt. Statuarische, mit Pathos aufgeladene Bühnentableaus wechseln mit albernen Gimmicks, Anspielung reiht sich an Anspielung, aber alles bleibt versponnen privatistisch, wird in keiner Weise formal durchdrungen.

Es beginnt mit einem Text von Troike selbst, der „Das Auto – der Unfall“ heißt. Sophie Rois steht rauchend in Männerkleidern auf der Bühne und berichtet davon, dass am 4. Januar 1960 ein Auto gegen einen Baum fährt, die Insassen kommen ums Leben. Was passiert in den Sekunden vor dem Tod? Doch statt von diesen Sekunden zu erzählen, schweigt der Text, Sophie Rois bläst vielsagend Rauch in den staubigen Himmel – und beginnt von vorn: „Das Auto – der Unfall.“

Hat die Tatsache, dass in dieser Nacht Albert Camus bei einem Autounfall ums Leben kam, etwas zu bedeuten? Ist die Szene gar mit Puschkins „Gelage zur Pestzeit“ verbunden, das als nächstes gezeigt wird? Falls ja, interessiert es trotzdem nicht: Schauspieler deklamieren mit Mundschutz im Gesicht über Gevatter Tod, während andere mit gekrümmtem Rücken über die Bühne stapfen wie durch ein überdimensioniertes Kasperletheater und mit Schürhaken nach Pappleichen stochern, um sie in einen Pappwagen zu wuchten.

Apropos Kasperletheater: Nach der Pause darf Sophie Rois in „Mozart und Salieri“, das Gesicht grün angepinselt vor Neid, Mozart vergiften, der von Anne Ratte-Polle mit rosa betupften Wangen und mächtiger Haartolle gegeben wird. Frohgemut runter mit dem Giftbecher – schon kippt der Kopf in den Teller, während hinter der Holzwand ein melancholischer Pianist ein paar Akkorde aus Mozarts „Requiem“ spielt. „Gute Nacht, du falsche Welt“ – der Titel ist aus Mozarts „Zauberflöte“. Um den Titel zu legitimieren, muss am Ende Papageno erscheinen. In albernerer Tarnkleidung steht er ratlos an der Rampe und nuschelt depressiv: „Stets lustig, heißa, hopsassa.“ Dunkel. Ach. Bald beginnt die Theatersaison.

Wieder am 18. 9. und 15. 10.

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