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Historischer Ort, heute Kriegsschauplatz. Palästinenser letzte Woche bei einer Mahnwache vor der Geburtskirche in Bethlehem.

© AFP

Neues Papst-Buch: Der Esel war ein Engel

Benedikt XVI. legt den letzten Band seiner Jesus-Trilogie vor. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft geht es um die Geburt in Bethlehem.

Viele Pfarrer werden aufatmen in diesen Tagen. Wenn ihnen – nachdem sie alle Jahre wieder über das immer Gleiche gepredigt haben – zu Weihnachten nichts mehr einfällt, dann können sie sich jetzt neue Anregungen beim Papst holen. Mit den „Kindheitsgeschichten“ hat Benedikt XVI. an diesem Mittwoch sein Werk „Jesus von Nazareth“ abgeschlossen.

Der dritte Band ist nur halb so dick ausgefallen wie der über Jesu öffentliches Wirken (2007) und jener über Leiden, Tod und Auferstehung (2011). Er habe ja auch nur, sagt der Autor, der wieder einmal in seiner Doppelrolle als der Fachgelehrte Joseph Ratzinger und als das Normen setzende Kirchenoberhaupt Benedikt XVI. auftritt, eine „kleine Eingangshalle“ zum restlichen Werk errichten wollen. Woran liegt es aber, dass der Leser sich unter den Säulen, die Benedikt hier und da aufstellt, und den Fresken, die er da und dort hintupft, etwas verloren, etwas orientierungslos vorkommt?

Dass Ratzinger/Benedikt mit der Konzeption seine Schwierigkeiten hatte, gibt er selbst zu: Im ersten Band versprach er, die Kindheitsgeschichten in der zweiten Folge nachzuliefern; im zweiten Band passten sie ihm „nicht zur eigentlichen Intention“; jetzt wirken sie wie ein Nachklapp. In „Jesus von Nazareth“ legt der heute 85-jährige Autor die Summe seiner lebenslangen Beschäftigung mit biblischer Theologie vor. Da ballen sich Details, Bezüge, Einsichten, die andere noch nicht gefunden haben. Aber auch solche, die man als verstreute Diskussionsbeiträge schon gehört haben mag, die sich nun aber – von sicherer Hand zusammengeführt – in ein neues Gesamtgefüge einordnen.

Für Benedikt/Ratzinger ist das Evangelium kein Gleichnis, sondern historisch wahr

Auf der revolutionären Seite bewegt Ratzinger/Benedikt sich natürlich nicht. Er pflückt die Ergebnisse der historisch-kritischen Bibelerforschung, reichert sie an mit seiner Vorstellung von wahrer theologischer Wissenschaft, der „Auslegungslehre des Glaubens“, und stellt im Rückgriff auf das, was die Kirche immer schon gelehrt hat, alles wieder auf festen Boden – fester und selbstgewisser, als die moderne Theologie das zu beanspruchen wagte.

Was die Evangelien über Jesus schreiben, das ist, sagt der Autor im Gegensatz zu vielen Theologen der jüngsten Jahrzehnte, keine erdichtete, keine theologisch konstruierte oder mythologisch gefärbte Erzählung, keine bloße Gleichnis- oder Bildrede. Gewiss, sagt er, seien die Vorkommnisse „theologisch gedeutet und konzentriert“, aber alles sei historisch wahr – in diesem Band die Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist, die „ganz wirkliche“ Jungfrauengeburt, die Krippe in der Stall-Grotte, der Stern von Bethlehem, die drei Weisen aus dem Morgenland. Dass die Überlieferung einen dieser „Heiligen Drei Könige“ aus dem Westen kommen lässt, also gerade nicht vom Sonnenaufgang her, führt Ratzinger/Benedikt zwar an; dass schon da ein Widerspruch besteht, das scheint er nicht zu sehen.

Gleichzeitig aber weist er in spannender Detektivarbeit nach, wie komplex gewoben gerade das Weihnachtsevangelium des Lukas ist – also jenes Stück vom Stall, den Hirten und den Engeln, das jeden Heiligen Abend mit so viel Gefühlsseligkeit wie ein nettes Kindermärchen vorgetragen und empfunden wird.

Betriebsunfälle bei der Bibelexegese

Ratzinger/Benedikt deckt dichte Bezüge der Erzählung einerseits zur damaligen Weltpolitik, andererseits zum Alten Testament auf. Nebenbei zeigt er – an der frühchristlichen Tradition jedenfalls –, wie eine freie, assoziativ jonglierende Suche nach passenden Bibelstellen zu einem geradezu rührenden „Betriebsunfall“ geführt hat: Aus den beiden gewaltigen Engeln, die an der heiligen Bundeslade standen, wurden an der Krippe Jesu: Ochs und Esel. Und deren Deutung wird kein Ende sein.

Es ist kein einfaches Buch, das Ratzinger/Benedikt hier vorlegt, ein Wohlfühlbuch für den Weihnachtsabend sowieso nicht. Trotz des Schreibstils, der klar geblieben ist wie immer – der Verlag erläutert im Anhang entschieden mehr Fachbegriffe und Abkürzungen, als der Autor verwendet –, bedarf es zum Verständnis eines stärkeren theologischen Hintergrundwissens, als der Autor mitliefert. Vielleicht gilt ja das, was Ratzinger/Benedikt von den „wartenden Worten“ im Alten Testament sagt, auch für sein eigenes Buch: dass es dauert, bis man sie begreift. Genau dieses Buch lehrt aber auch: Es gibt Worte, die kommen trotz aller Deutungsbemühungen und -biegungen nie ans Ziel.

Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Prolog – die Kindheitsgeschichten. Herder Verlag, Freiburg 2012. 176 Seiten, 20 €.

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