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Kultur: Neukölln live

Der Dokumentarfilm „Die Hochzeitsfabrik“

Die „türkische Hochzeit“ mit Huperei und Autokorso gehört mittlerweile zu Berlin wie Funkturm, Wowi und Hundedreck. Jenseits ihrer verkehrsöffentlichen Schauseite aber münden die Vorstellungen vieler nicht-türkischer Berliner von türkischen Heiratsriten schnell in ein verwaschen folkloristisches Zwischenreich von Schleier, Bauchtanz und Frauenraub. Und siehe da: Eine Entführung kommt sogar vor in Aysun Bademsoys Dokumentation über „Die Hochzeitsfabrik“. Sonst aber geht es rund um den in Neukölln gelegenen „Prestige-Hochzeitssaal“ ausgesprochen prosaisch zu; die Romantik beschränkt sich auf den symbolischen Hintergrund.

Die 1960 im türkischen Mersin geborene Berliner Regisseurin hat bereits Porträtfilme über türkische Mädchenfußballerinnen in Kreuzberg und multiethnische Neuköllner Polizisten gedreht. Jetzt interessiert sie sich für den Hochzeitsunternehmer Sahin Öcal. Öcal besaß einen Kreuzberger Fotoladen, dann erweiterte er sein Geschäft und arrangiert jetzt Hochzeiten im Komplettpaket: Limousinen, Blumen, Band und Verpflegung. Das Wichtigste aber ist die mediale Begleitung des schönsten Tags im Leben, so dass auch die daheimgebliebene Verwandtschaft per Digitalpaket teilhaben kann. So gehört Öcal neben dem Festsaal immer noch ein Fotostudio, wo die Bilder fürs Familienalbum produziert werden – vor ländlichen Prospekten mit Sonnenuntergang oder Rosenidyll. Zwei Kameramänner mit gewichtiger Filmausrüstung begleiten die Feier, ihre Aufnahmen werden für die Hochzeitsgäste live an die Festsaalwand gebeamt.

Was einmal Dorffestbrauch war, wird in der deutschen Stadt zum seriell produzierten Großereignis, bei dem straffe Organisation und mediengerechte Inszenierung familiäre Bande buchstäblich überstrahlen: Gemütlich ist die breitflächige Ausleuchtung des Festsaals jedenfalls nicht. Bademsoys diskretes Filmteam macht ein paar kleine Extraschlenker, um Hochzeitsaspiranten und -fabrikanten jenseits des Trubels zu befragen. Entstanden ist das erhellende Making-of eines Films, der nicht nur in Berlin mehrmals täglich abläuft.

In Berlin im fsk am Oranienplatz

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