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André 3000.

© picture alliance / PYMCA/Photoshot/Gonzales Photo/Helena Lundquist

„New Blue Sun“ von André 3000: Vom Winde verweht

Nach 17 Jahren ohne Veröffentlichungen erscheinen jetzt von dem ehemaligen Outkast-Rapper André 3000 neue Songs - in einem jazzigem Ambiente und mit ganz viel Flötenspiel.

Von Miriam Scheibe

Mit dem Slogan „The South got something to say” ging André Lauren Benjamin 1995 in die Musikgeschichte ein, da war er gerade einmal zwanzig Jahre alt und hatte sich den Künstlernamen André 3000 gegeben. Er und sein Kumpel Big Boi aka Antwan André Patton waren für ihr Debütalbum bei den „Source Awards“ als beste Newcomer ausgezeichnet worden.

Outkast hieß ihre Band, mit der sie die US-Hip-Hop-Szene aufmischten. Ihr Album „Speakerboxxx/The Love Below“ avancierte zum meistverkauften Rap-Album aller Zeiten. Outkast waren mit ihrem funkigen Südstaatensounds bis Mitte der 2000er Jahre tonangebend; ihr letztes Album bestach durch große Experimentierfreude und ist von Swing-, Jazz- und Blues-Einflüssen durchzogen.

Dann wurde es still um Outkast. Big Boi veröffentlichte Soloalben, André 3000 zog sich zurück. Erst jetzt, fast zwanzig Jahre später, ist André zurückgekehrt mit seinem ersten Solo-Album, „New Blue Sun“. Es ist eine große Überraschung. „Warning: No Bars“ steht auf dem Cover, auf dem der inzwischen 48-jährige André 3000 mit einer abgespacten Riesenflöte zu sehen ist.

Mehr so literarisch

Sein lyrisches Talent hat er auf absurd lange Songtitel beschränkt, und der erste, „I Swear, I Really Wanted to Make a ‘Rap’ Album but This Is Literally the Way the Wind Blew Me This Time”, lässt sich vielleicht als eine Entschuldigung verstehen für die Mischung aus Ambient, Tribal und Nu Jazz auf diesem Album.

Allen Disclaimern zum Trotz irritiert der Sound von „New Blue Sun“. Flöten? Wirklich? Ja, wirklich. Kontrabassflöte, Mayaflöten, Bambusflöten – mit gleich mehreren Blasinstrumenten tastet André sich, mal stolpernd, mal tänzelnd, durch eine weich umhüllende Klanglandschaft aus kosmischer Elektronik, Schlagzeug, Keyboard und zurückhaltender Gitarre.

„Als würde man einen Schmetterling durch einen Garten jagen“, so hat der Rapper Tyler, The Creator diese Musik bezeichnet. Die teils naiv anmutenden Flötenmelodien und die anderen verspielten Klänge haben einen gewissen Suchtfaktor. Sie flirren und flimmern hell durch die Dunkelheit eines grauen Wintertages, an anderen Stellen wiederum verströmen sie eine meditative Mystik.

Das ganze Album gleicht einer Jam-Session. Jeder Song ist eine improvisierte Komposition, André und seine Mitmusiker (darunter Jazz-Größen wie der Perkussionist Carlos Niño) begegnen sich intuitiv, unverfälscht, zwanglos. Als Künstler müsse man gute Antennen haben, reaktionsfreudig sein, sagte André 3000 in einem Interview anlässlich seines neuen musikalischen Outputs.

Auf innere Stimmen reagiert

„New Blue Sun“ sei für ihn kein Bruch, sondern eine natürliche Weiterentwicklung. Er habe einfach reagiert – auf sein Innenleben, seine Leidenschaften, seine Mitwelt. Und zum ersten Mal seit vielen Jahren verspüre er den Drang, das Resultat mit der Öffentlichkeit zu teilen.

„New Blue Sun“ ist ein authentisches und mutiges Werk. In Andrés Worten: „This is the realest thing that’s coming right now.” Indem sich die Rap-Ikone allem Erwartungsdruck entzieht, konterkariert sie die oft prollige Konnotation der „Realness“ im Hip-Hop. „New Blue Sun“ ist nicht zuletzt eine Ermunterung, sich immer wieder neu zu erfinden.

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