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Kultur: Nichts als Gespenster: Pia Dehne zeichnet Nachtgestalten

In der Nacht gelten andere Gesetze als am Tag: Die Zeit scheint langsamer zu fließen, Gespräche verlieren ihre Schwerkraft, die Gesichter sehen plötzlich glücklicher aus. Pia Dehne hat über einen Zeitraum von achtzig Tagen täglich auf einer Bleistiftzeichnung, jeweils 76 x 58 cm groß, festgehalten, was sie in den Nächten davor in Bars und Clubs, auf Partys und Vernissagen und auf dem Weg dahin erlebt hatte.

In der Nacht gelten andere Gesetze als am Tag: Die Zeit scheint langsamer zu fließen, Gespräche verlieren ihre Schwerkraft, die Gesichter sehen plötzlich glücklicher aus. Pia Dehne hat über einen Zeitraum von achtzig Tagen täglich auf einer Bleistiftzeichnung, jeweils 76 x 58 cm groß, festgehalten, was sie in den Nächten davor in Bars und Clubs, auf Partys und Vernissagen und auf dem Weg dahin erlebt hatte. Die Zeichnungen entstanden nach fotografischen Schnappschüssen, der nervöse Duktus des Bleistiftstrichs passt gut zur Flüchtigkeit der Szenen. Zwei Burschen posieren mit Sonnenbrillen und aufgeklebten Bärten als Altrocker („Fake ZZ Top“), einem auf dem Boden liegenden Betrunkenen wird Alkohol eingeflößt („Ryan, Lizzy, Aron, Michelle“), ein Junge ist an der Brust seiner Freundin eingeschlafen („Ela, Scott“), ein Mann hat sich hinter einer Batterie leerer Flaschen verschanzt und unterhält sich mit einer sicherlich interessanten Frau, von der wir nur den aufgestützten Arm mit einer Zigarette zwischen den aparten Fingern sehen („Boris“, unsere Abbildung). Die Künstlerin war hauptsächlich in New York und Berlin unterwegs, man begegnet in ihren Bildern auch einigen bekannten Stützen der Ausgehgesellschaft, Westbam zum Beispiel.

„I’m So Happy I Could Die“ hat Pia Dehne das Buch genannt, das ihre Nachtskizzen versammelt (Art Berlin Verlag, 50 Euro, über www.art-berlin.org ). Der zwischen Ironie und Verzweiflung oszilierende Titel geht auf ein Stück der Punkband „Johnny Boys“ zurück. Einmal so glücklich sein, dass man sterben möchte: eine Utopie. Dehne, die 1964 geboren wurde und Meisterschülerin von Martin Lüpertz an den Düsseldorfer Kunsthochschule war, versucht mit ihren Bildern – verweile doch, du bist so schön – die Zeit anzuhalten. Ihre Kunst spielt in einem Geisterreich, die aus dem schattenhaften Schwarzgrau hervortretenden Gestalten scheinen nichts als Gespenster zu sein. Umso ernüchternder ist das Erwachen am Morgen danach. Das Blatt „Corner of Canal“ zeigt, was von der Ekstase übrig bleibt: ein verwaistes Sofa hinter einem Tisch, auf dem die leergetrunkenen Flaschen traurig beieinander stehen. (chs)

Vierzig Bilder aus der Serie sind bis zum 28. Februar im Art Berlin Verlag, Torstr. 11 (Mitte), zu sehen, Mo bis Fr 10-18 Uhr .

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