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Kultur: Nichts für deutsche Ohren

Die nervösen Verlegenheitshuster, die im Schauspielhaus immer wieder in die Pausen seines Stabat Mater hineinkrächzen, hätten Gioacchino Rossini wohl nur bestätigt.Das sei keine Kirchenmusik für ein deutsches Publikum, meinte der Komponist, der sich von den Deutschen ohnehin nicht ernst genug genommen fühlte.

Die nervösen Verlegenheitshuster, die im Schauspielhaus immer wieder in die Pausen seines Stabat Mater hineinkrächzen, hätten Gioacchino Rossini wohl nur bestätigt.Das sei keine Kirchenmusik für ein deutsches Publikum, meinte der Komponist, der sich von den Deutschen ohnehin nicht ernst genug genommen fühlte.Im Konzert der Akademie für Alte Musik nimmt das Publikum diesen anderen Rossini erst fast gegen Ende ernst: Wenn der RIAS-Kammerchor balsamisch weich zu seinem a-cappella-Satz Quando corpus morietur anhebt und für sich die Seligkeit des Paradieses erfleht.Da ist es auf einmal still, siegt die melodische Inbrunst über das vage Vorurteil, daß Glaubensmusik doch eigentlich viel asketischer klingen müßte.Doch bis dahin bleibt eine Stunde lang die Verwirrung spürbar.Etwa wenn der Tenor in seiner Ohrwurmkantilene Cujus animam zu einschmeichelnd schunkelnder Orchesterbegleitung vom Schwert des Leidens, von Todesschauern und Seelenangst singt.Oder wenn die Sopranistin ihr Inflammatus mit auflodernder Gesangsgebärde den Trompeten und Posaunen entgegenschleudert.Das könnte genausogut einer dieser operntypischen "Maledizione!"-Flüche sein - es muß schon eine ziemlich leidenschaftliche Frau sein, die da um ihr Seelenheil bittet.Marcus Creed am Dirigentenpult versucht auch gar nicht erst, diese opernhaften Züge des 1842 uraufgeführten Stücks zurückzuschrauben, sondern spielt den Theaterdonner ebenso genüßlich aus, wie er die melodischen Linien weit ausschwingen läßt.Jeder der vier Solisten legt dazu sein persönliches Belcanto-Glaubensbekenntnis ab: mit herrlich samtigem Baß Daniel Borowski, mit schlankem schmelzveredeltem Tenor Bruce Fowler, mit höhenstarkem Mezzo Petra Lang und mit sinnlich timbriertem lyrischen Sopran die Bulgarin Krassmira Stoyanova.

Die vier setzen auch schon im vorgeschalteten Credo aus Donizettis "Missa di gloria" die Glanzlichter.Hier stehen die Zeichen vollends auf religösen Bombast, wird der ganze Opernapparat eingespannt, um den Glauben möglichst prunkvoll lärmend in die Welt hinausschallen zu lassen.Das hat gegenüber dem Rossini allerdings einen Vorzug: Die Huster, die hört hier wirklich niemand mehr.

JÖRG KÖNIGSDORF

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