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Kultur: Obdachlosigkeit in Deutschland: "Assis klatschen"

Geschlagen, getreten, angezündet, ertränkt - in den zehn Jahren seit der Wiedervereinigung sind mindestens 16 Obdachlose von rechten Schlägern getötet worden. Diese Zahl ergibt sich aus der Liste über die 93 Todesopfer brauner Gewalt, die Tagesspiegel und "Frankfurter Rundschau" im September veröffentlicht haben.

Von Frank Jansen

Geschlagen, getreten, angezündet, ertränkt - in den zehn Jahren seit der Wiedervereinigung sind mindestens 16 Obdachlose von rechten Schlägern getötet worden. Diese Zahl ergibt sich aus der Liste über die 93 Todesopfer brauner Gewalt, die Tagesspiegel und "Frankfurter Rundschau" im September veröffentlicht haben. Die Aufzählung musste schon am Erscheinungstag der Sonderseiten um einen weiteren, den 16. toten Obdachlosen ergänzt werden. Skinheads schlugen den Mann am 14. September in Schleswig, bis er sich nicht mehr regte. Das Opfer hatte nach Angaben der Täter "schlecht über Skinheads geredet".

Der Schleswiger Fall zeigt wie die anderen Gewaltverbrechen, die Rechtsextremisten an Obdachlosen verüben, dass diese beinahe so stark gefährdet sind wie Menschen, die als Ausländer gelten. Dennoch wird das Bedrohungsszenario in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Auch die Polizei betrachtet Menschen ohne festen Wohnsitz, die von Rechtsextremisten misshandelt werden, oft nicht als Opfer einer politisch motivierten Straftat.

Das Motiv der Täter lautet meistens "Assis klatschen". Obdachlose gelten als "lebensunwert" und "undeutsch". Aber auch Menschen mit festem Wohnsitz werden angegriffen, wenn ihre schwierige soziale Lage an ärmlicher Kleidung oder auffälligem Alkoholkonsum abzulesen ist. So schlugen Rechtsextremisten seit 1990 auch drei "asoziale" Arbeitslose, zwei Sozialhilfe-Empfänger und einen Frührentner zu Tode.

Bei den Vernehmungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft haben die meist jungen Täter oft keine Hemmungen, ihre Motive klar zu benennen. "Hass auf Obdachlose" gestanden vier Rechtsextremisten, die im Juli dieses Jahres in Ahlbeck (Insel Usedom) den 51-jährigen Norbert Plath mit Schlägen und Tritten ums Leben brachten. Einer der Täter meinte sogar, "Asoziale und Landstreicher gehören nicht ins schöne Ahlbeck". Dieser Fall wurde von der Polizei der Kategorie "rechtsextrem motiviertes Tötungsdelikt" zugeordnet. Im Gegensatz zum Überfall auf Jürgen S. in Wismar. Der Obdachlose wurde, ebenfalls im Juli, von fünf Rechtsextremisten attackiert. Sie schlugen und traten in einem Abbruchhaus so massiv auf S. ein, dass er kurze Zeit später seinen Verletzungen erlag. Die Polizei zählt die Täter zur rechten Szene - dennoch war ihre Tat nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Schwerin nicht rechtsextrem motiviert.

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