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Die große Überraschung. Michael Hanekes "Liebe", eine französisch-deutsch-österreichische Koproduktion, ist nicht nur als fremdsprachiger Film nominiert, sondern auch in der Kategorie der besten Filme.

© dpa

Oscar-Nominierungen: Gruppenbild mit Tiger

Die Oscar-Nominierungen sind bekannt geben worden. Michael Haneke und sein Film "Liebe" ist ganz vorne mit dabei. Es könnten aber auch heimatkundliche Stoffe, wie "Lincoln" oder "Argo" das Rennen machen.

Da sage noch jemand, die älteste Dame unter den internationalen Filmfestivitäten sei nicht für Überraschungen, ja, Sensationen gut. Zum 85. Mal steigt demnächst die Oscar-Zeremonie in Los Angeles, und mit satten fünf Nominierungen ist die keineswegs englischsprachige französisch-deutsch-österreichische Koproduktion „Amour“ alias „Liebe“ von Michael Haneke unter den Favoriten. Und ihre fantastische 85-jährige Hauptdarstellerin Emmanuelle Riva ebenfalls, die älteste jemals für die Oscars nominierte Schauspielerin.

Schon möglich, dass diese doppelte 85 für Riva eine Glückszahl wird, genauso wie für den Oscar-Jahrgang selbst. Denn die Academy rückt damit nicht nur jenes makellose Werk ins Scheinwerferlicht, das souverän die Weltfilmproduktion des vergangenen Jahres hinter sich ließ, sondern erweitert damit ebenso souverän und ohne Rücksicht auf Traditionen das eigene anglozentrische Weltbild. Da rückt nun offenkundig immer sichtbarer stärker zusammen, was ohnehin global längst zusammengehört.

Macht nichts, wenn es für Haneke und seinen Film zum Top-Oscar namens best picture nicht reichen sollte, denn die Academy hat „Amour“ klug auch in der Extrakategorie der Auslandsfilme abgefedert. Für die Amerikaner dürfte am 24. Februar allerdings anderes noch spannender werden: Liebt die rund 6000-köpfige Academy die nationalen (Zeit-)Geschichtsfilme wirklich so heftig, wie sie sie jetzt nominiert hat? Oder schleichen sich nachher auf einmal Kinder – die neunjährige Quvenzhané Wallis ist die jüngste jemals nominierte Hauptdarstellerin – oder gar so computeranimierte wie seekranke Tiger an allen vorbei ins Ziel?

Die Überpräsidenten-Hommage „Lincoln“, die Rekonstruktion einer CIA-Rettungsfinte von 1979 („Argo“) sowie jene der Aufspürung und Tötung Osama bin Ladens („Zero Dark Thirty“): Sie alle zelebrieren amerikanisches Heldentum. Auch Tarantinos formal brillanter Metzelwestern müht sich, als Antisklavereihymne, nach Kräften um höhere Geschichtsweihen. Da liegt es nahe, dass nach den internationalen Spaziergängen der letzten Jahre, von „Slumdog Millionär“ bis „The Artist“, eher heimatkundliche Stoffe wieder an der Reihe sind.

Die Zukunft aber des längst globalisierten Kinos und auch der live in 225 Ländern ausgestrahlten Oscar-Gala gehört Filmen wie „Life of Pi“ oder „Beasts of the Southern Wild“. Und ebenso Hanekes „Amour“. Sie streicheln ihre Kundschaft nicht, wie das so viele bloß gefühlige Filme tun. Aber sie treffen, überall auf der Welt, mitten ins Herz.

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