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Kultur: "Paare": Schöner lieben

Gewohnheit ist ein langsames Gift. Es sickert so unmerklich in den Alltag ein, dass man meist erst aufschreckt, wenn es schon zu spät ist.

Gewohnheit ist ein langsames Gift. Es sickert so unmerklich in den Alltag ein, dass man meist erst aufschreckt, wenn es schon zu spät ist. Wohl keine Institution ist dieser Gefahr mehr ausgesetzt als die Ehe. Christina und Jens sind so ein Paar: beide Anfang dreißig, studiert, mit Eigentumswohnung. Er plant die Karriere, sie die Familie. Er ist erfolgreich, sie plagen Selbstzweifel. Er hat Affären, sie macht eine Therapie.

Roland Koch zeichnet diese kleine Welt in seinem Roman "Paare" minutiös in all ihrer Trostlosigkeit nach. Oberflächlich leben seine Hauptfiguren in einer Welt aus "Schöner Wohnen" und "Besser Essen". Doch am Esstisch sitzen beide nie gemeinsam und im teuren Massivholzbett wird meist auch nur geschnarcht. Seitenlang geht es um Problemzonen, Fußpilz und Kosmetikprodukte. Einziger Höhepunkt dieser Gemeinschaft ist der gelegentliche "Tatort" im Fernsehen.

Dies ist das Ausgangsszenario für die Entwicklung beider Charaktere. Denn beide wollen sich verändern, nicht nur gegenseitig. Dass Jens Christina ständig betrügt, weiß sie. Man redet ja darüber, und bei einem befreundeten Paar ist es schließlich auch nicht anders. Christina rafft sich zu einer Therapie auf und will sich einen neuen Job suchen, vielleicht promovieren oder wenigstens ein Kind haben. Jens brütet unterdessen über anderen Plänen, die er aber nicht seiner Frau anvertraut, sondern seinem Notebook. So kann sie nicht erfahren, dass er längst keinen Sinn mehr in Karriere und Affären sieht, sondern viel lieber "aussteigen" würde. Das Problem ist hier nicht nur die Gewohnheit, sondern auch die Sprachlosigkeit.

Roland Koch erzählt nüchtern und schnörkellos. Der 1959 geborene, in Köln lebende Autor bedient sich dabei einer Art Mittelstandsrealismus. Sein dritter Roman ist einfach gestrickt, der Fokus liegt auf der Hauptfigur Christina, Tagebuchaufzeichnungen des Mannes im Telegrammstil brechen diese Perspektive auf. All dies liest sich aber über lange Strecken wie Möbelhausprosa und ist auch sprachlich ebenso so schlicht wie die Welt seiners Personals. Als Jens plötzlich verschwindet, kommt die zähe Geschichte etwas in Fahrt, aber da ist es schon fast zu spät. Der Wille zum Entwicklungsroman bricht sich nur langsam Bahn, die Handlung steckt viel zu lange in zähen Alltagsbeschreibungen fest. Am Ende haben sich die Rollen der Protagonisten zwar gründlich vertauscht, der Leser braucht bis dahin aber einiges Durchhaltevermögen.

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