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Anker in der Luft. Die Königin der Nacht (Chelsey Schill) wird auf einem Kran hoch in den sich verdunkelnden Himmel gehoben. Foto: Eventpress

© Eventpress Hoensch

Kultur: Pack die Zauberflöte ein

Die Seefestspiele im Strandbad Wannsee feiern erfolgreich Premiere

Das Wichtigste zuerst: Wetter war gut, schöner Sonnenuntergang über dem Wannsee, kein Regen. Ohne Segen von oben erreichten Tamino & Pamina, Papagena & Papageno das Finale auf der Seebühne, die nun – die lange bürokratische Vorgeschichte liegt bei den Akten – nicht im, sondern nahe am Wasser gebaut ist. Ein paar Seitenhiebe wollte sich Katharina Thalbach, die Regisseurin dieser sommerlichen „Zauberflöte“, doch nicht verkneifen. Mit einem knallroten Gummiboot tapst Guntbert Warns, ihr krachlustiger Papageno, an die Rampe und blödelt: Da müsse er eben trockenschwimmen.

Nun hat Berlin noch eine Oper, wenn auch nur saisonal. Privat finanziert, aufwendig produziert, mit 4000 Besuchern auf Tribünen im Grünen – das hat sich lange angeboten. Die traditionsreichen Bregenzer Festspiele am Bodensee riskieren Uraufführungen, die Wannsee-Oper setzt zur Premiere erst mal auf Bewährtes. Wenn Katharina Thalbach inszeniert, lässt sich das locker, leicht und unterhaltsam an. Die Thalbach nimmt Mozart frontal, keine Analyse, keine versteckten Ebenen. Eine klare Entscheidung: „Die Zauberflöte“ ist ein Märchenspiel, Entertainment mit mystischer Grundierung, eine doppelte Love Story mit esoterisch-exotischen Hindernissen. Ägypten war Ende des 18. Jahrhunderts groß in Mode, freimaurerische Gedanken schwirrten in den Köpfen, der Begriff der Zauberoper rührt an tiefe, kindliche Bewusstseinsschichten.

Momme Röhrbeins Riesenpyramide mit dem kreisrunden Ausschnitt in der Mitte nimmt diese Motive auf. Sarastro (Andreas Hörl) singt stattlich hoch oben auf einer Brücke, die Königin der Nacht (Chelsey Schill) wird auf einem Kran hoch in den sich verdunkelnden Himmel gehoben. Ihre Arie ist ihr Anker in der Luft. Fabelwesen, Schlangen und Fische geistern durchs Bild, Sarastros Sklaven werden mit dröhnendem Hard Rock eingeführt, die drei Damen in Diensten der Nacht-Königin reißen ihre Nonnentracht herunter und stürzen sich geil auf den bewusstlosen Prinzen, der ihnen vor die Füße gespült wird.

Zauberoper, Zirkusoper, ein bisschen neckisch, gern auch mit Kitschseiten, Slapstick und improvisiertem Wortwitz: Thalbachs Handschrift ist unverkennbar. „Die Zauberflöte“ als Commedia dell’arte funktioniert auch ohne Weiteres, so lange Musik und Libretto keine schwierigen Fragen aufwerfen; also vor allem dann im zweiten Teil, der schon immer schwierig war. Wie flach oder wie steil dieses enigmatische Stück Musiktheater anzugehen wäre, darüber konnte sich die gelehrte Welt nie einig werden, und das muss auch nicht sein. Wie jeder Mythos, so hat dieser Mozart einen populären Kern und einen komplizierten Überbau, oder auch umgekehrt. Hier spielt das keine Rolle.

Pack die Operngläser ein ... und dann nischt wie raus nach Wannsee. Papageno gibt eindeutig den Ton vor. Der Schauspieler Guntbert Warns ist Thalbachs Spielführer, und es ist seine Show. Musa Nkunas Prinz Tamino hat dem komödiantischen Druck des Vogelfängers wenig entgegenzusetzen, dieser Tamino ist einfach nur edel, hilfreich und gut. Dass es auch um Liebe geht und dass so eine Liebe an die Existenz gehen kann und tief ins Mark, daran wird man schlagartig erinnert, wenn Sophie Klußmann auftritt. Was für eine wunderbare, klare, zarte und feste Stimme und Persönlichkeit!

Aber auch das Orchester spielt sensibler und lyrischer, als es das zuweilen hektische, unübersichtliche Treiben auf der gewaltigen Bühne vorgibt. Die Dirigentin Judith Kubitz hält eine feine Balance, wirkt ungemein präsent und aufmerksam. Was ja unter Freiluftbedingungen nicht ganz einfach ist. Die Berliner Seefestspiele und ihr Intendant Christoph Dammann haben die akustischen Anforderungen bewältigt. Die Musiker sitzen in einem transparenten, kugelförmigen Zelt rechts neben der Bühne, der Ton wird auf Lautsprecherboxen übertragen, und selbst am windigen Premieren-Donnerstagabend ging nichts in die Binsen.

Akrobatik, Luftballons, Feuerwerkszauber – man muss da draußen im großen Maßstab arbeiten, sonst sieht das Publikum nur singende Zwerge. Mimik fällt in solchen Dimensionen aus, wobei in der ursprünglichen Konzeption – die Pyramide sollte aus dem See aufragen – eine noch größere Distanz entstanden wäre. Und ein tieferes Gefühl für die Landschaft, eine gänzlich andere, geheimnisvollere Atmosphäre. Die Senatsumweltverwaltung verweigerte die Genehmigung.

Nun musste die Wasseroberfläche als Resonanzraum, die Weite des Blicks, die Aura von Sand und Strand, das Spiel der Elemente aufgegeben werden, um das Projekt zu retten. Mit dem Erfolg der ersten Wannseeoper im Trockendock ist nicht die letzte Arie gesungen, sondern die erste Prüfung überstanden. Es wird im nächsten Jahr neue Ideen geben, das Opernrepertoire ist groß. Zumal die drei Berliner Opernhäuser in den Sommermonaten partout nicht spielen. Keine Kunstform ist so künstlich wie die Oper, deshalb schreit sie nach Natur.

Weitere Vorstellungen am 13., 14., 18. bis 21., 24., 25., 27. und 28. August.

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