zum Hauptinhalt

Kultur: Palästinensische Hoffnungen

Über mangelnden Beifall kann sich der New Yorker Literaturwissenschaftler Edward Said am Sonntagvormittag im Renaissance-Theater nicht beklagen. Seine "Berliner Lektion", eine engagierte Parteinahme des einstigen Arafat-Vertrauten für das Los der Palästinenser unter israelischer Besetzung, wird nicht nur am Ende gefeiert.

Über mangelnden Beifall kann sich der New Yorker Literaturwissenschaftler Edward Said am Sonntagvormittag im Renaissance-Theater nicht beklagen. Seine "Berliner Lektion", eine engagierte Parteinahme des einstigen Arafat-Vertrauten für das Los der Palästinenser unter israelischer Besetzung, wird nicht nur am Ende gefeiert. Auch einzelne Sätze aus "Das moralische und intellektuelle Dilemma der palästinensischen Frage" finden Gefallen bei den Zuhörern - nicht zuletzt der Appell, Deutschland möge sich in Europa an führender Stelle für den Friedensprozess im Nahen Osten einsetzen.

Alle Wege auf einen Stuhl im UN-Sicherheitsrat, wo Deutschland die NS-Vergangenheit hinter sich ließe und eine weltpolitische Rolle spielte, führen über Israel - das weiß auch Said. Der Palästinenser, der in seinem berühmten, die postkolonialistischen Studien begründenden Buch "Orientalismus" (1978) noch die exotischen Orientbilder der Kunst, Literatur und Wissenschaft im 19. Jahrhundert als Instrumente kolonialistischer Herrschaft beschrieb, setzt im Falle Palästinas auf den alten Westen. Deutschland und Europa sollen den Einfluss der USA vermindern.

Auf den Krieg in Afghanistan geht Said nur knapp ein. Dieser gleiche dem israelisch-palästinensischen darin, dass ein hochgerüsteter Staat gegen einen armen vorgehe. Die israelische Sicht der Dinge sei bekannt, so Said, die palästinensische nicht. Er schildert sie als eine Geschichte des Verrats und der Vertreibung. Die Araber seien im Ersten Weltkrieg nicht nur um die versprochene Gegenleistung für die Unterstützung der Alliierten geprellt worden, die alleinige Herrschaft im Nahen Osten. Großbritannien hätte Juden nach Palästina einwandern lassen und 1948 die Gründung des Staates Israel zugelassen, weil den Juden mit dem Holocaust großes Unrecht zugestoßen sei. "Warum", fragt Said, "gebt ihr ihnen nicht einen Teil von Europa?" Nur eine kurze Zeitspanne lang hätten Juden in Palästina geherrscht.

Aufgebracht schildert Said die Vertreibung seines Volkes, die Zerstörung der Dörfer und der Häuser, die der einzige Besitz der Armen sind. Einzig um der Demütigung willen seien 200 000 der hochsymbolischen Olivenbäume gefällt worden. Das palästinensische Volk hause in Flüchtlingslagern, in den besetzten Gebieten oder als benachteiligte Minderheit in Israel. Die zweitlängste militärische Besetzung der Welt, Arbeitslosigkeit und Armut seien die Gründe für die Intifada. Said warnt vor der Jugend, die in dieser hoffnungslosen Situation radikalen religiösen Ideen verfalle. Die Bedingung für Frieden sei Land, wie es die UN-Resolutionen 242 und 248 fordern. Gegenwärtig führe eine Armee gegen ein unbewaffnetes Volk Krieg. Die Selbstmordattentate wertet er als einen "verzweifelten Versuch", der militärischen Belagerung zu entkommen. Man kann diesen Satz als Beleg für die schwierige Lage eines Intellektuellen nehmen, der für sein Volk sprechen, jedoch auch gehört werden möchte. Er lässt Edwards Saids Vision gegenseitigen Respekts zwischen Palästinensern und Israel freilich sehr utopisch klingen.

Jörg Plath

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false