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Pam Anderson

© Jean Pigozzi

Paparazzi-Ausstellung: Das geraubte Bild

Ihre Namen kennt kaum einer, ihre Arbeiten fast jeder: Fotos von Paparazzi sind aus der modernen Medienwelt nicht mehr wegzudenken. Die Berliner Helmut Newton Stiftung zeigt in einer Fotoausstellung, was Paparazzi in den letzten 60 Jahren produziert haben.

Seit mehr als fünfzig Jahren machen Paparazzi öffentlich, was eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Manch ein Fotograf wie etwa Daniel Angeli schuf Bilder, die um die Welt gingen: Romy Schneider, nackt auf ihrer Motorjacht. Der Großindustrielle Giovanni Agnelli, der ebenfalls nackt von seinem Segelschiff ins Wasser springt. Und Kirk Douglas, der nur mit einer Badehose bekleidet im Hafen von St. Tropez ein T-Shirt kauft.

Trotz der Allgegenwärtigkeit des Phänomens hat sich bislang noch keine größere Einzelausstellung damit auseinandergesetzt. Erstmals wirft nun „Pigozzi and the Paparazzi“ mit 350 Fotos einen intensiven Blick auf sechs Jahrzehnte dieses bisher noch nicht gewürdigten Kapitels der Fotografiegeschichte. Zeitgenössische Beispiele sind jedoch kaum zu sehen, denn Kurator Matthias Harder hält sie für „teilweise sehr geschmacklos“.

Angesichts der Vielzahl und Verschiedenheit der überwiegend schwarz-weißen Aufnahmen wird deutlich, wie facettenreich die Paparazzi-Fotografie ist. Es gibt die intimen Schnappschüsse, die delikat oder auch humorvoll mit dem voyeuristischen Bedürfnis des Betrachters spielen. Es gibt Fotos von Grace Kelly, Jackie Kennedy Onassis oder Steve McQueen, die den Moment der Ablichtung zur Selbstinszenierung zu nutzen scheinen. Auch das nicht selten in Tätlichkeiten gipfelnde Spannungsverhältnis zwischen Prominenten und Paparazzi ist zu sehen, wenn der Fotograf selbst zum Objekt der Berichterstattung wird.

So zeigen Aufnahmen von Kollegen den amerikanischen Fotografen Ron Galella in der Nähe von Marlon Brando ab 1974 oft mit Football-Helm geschützt: Der Schauspieler hatte Galella ein Jahr zuvor bei dessen „Angriff“ mit der Kamera den Kiefer gebrochen und fünf Zähne ausgeschlagen. Galella selbst fängt Mick Jagger mit aggressiv gebleckten Zähnen und einen wütenden Sean Penn ein, der 1986 in New York mit geballter Faust nach einem Fotografen schlägt. Marlene Dietrich demonstriert auf einem Bild von 1980 eine fast komisch wirkende Form der Verweigerung: Die Schauspielerin hält sich ein weißes Blatt Papier vor das Gesicht. Nur die faltige Haut ihrer Hände verrät das, was die Dietrich vor den Augen der Welt verbergen will. Nämlich, dass sie zu diesem Zeitpunkt kurz vor ihrem achtzigsten Geburtstag steht.

Die Problematik, die mit dem Eindringen der Kamera in die Intimsphäre eines Menschen verbunden ist, offenbart sich auf andere Weise in den Fotos von Arthur Fellig, „Weegee“ genannt. Er hat nicht auf der Gewinner- sondern auf der Verliererseite des Lebens fotografiert: Obdachlose, Alkoholiker oder Prostituierte bemerken schlafend gar nicht erst, wie sie von der Kamera ihres Bildes „beraubt“ werden. Spielerisch, wenn auch nicht unkritisch, thematisieren Jean Pigozzi und Helmut Newton den steten Kampf ums Bild. Pigozzi gehört selbst zum Jet Set; an den Schultern der Reichen und Schönen inszeniert er sich als glücklicher Fan. Newton tauscht auf seinen Modefotos für die Zeitschrift „Linea Italiana“ einfach die Rollen: Mal ist der Paparazzo der Jäger, mal der Gejagte. Aber immer ist er auf dem Sprung.

Helmut Newton Stiftung, Jebensstr. 2, bis 16. November; Di bis So 10–18 Uhr, Do 10–22 Uhr.

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