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Kultur: Party unser aus Mitte

Idealer könnte der Ort für ein Konzert der Berliner Band Jeans Team kaum gewählt sein. Das Prince Charles, ein Laden im Aufbauhaus am Kreuzberger Moritzplatz, erinnert mit seiner Einrichtung und Atmosphäre schwer an Legenden des Clublebens der neunziger Jahre: an das dritte und vierte WMF am Hackeschen Markt und in der Johannisstraße etwa, an das 103 in der Oranienburgerstraße.

Idealer könnte der Ort für ein Konzert der Berliner Band Jeans Team kaum gewählt sein. Das Prince Charles, ein Laden im Aufbauhaus am Kreuzberger Moritzplatz, erinnert mit seiner Einrichtung und Atmosphäre schwer an Legenden des Clublebens der neunziger Jahre: an das dritte und vierte WMF am Hackeschen Markt und in der Johannisstraße etwa, an das 103 in der Oranienburgerstraße. Und die Band ist selber eine lebende Neunziger-Jahre-Legende, die damals vielleicht ultimativste Berlin-Mitte-Popgruppe.

Legendär ist die Band deshalb, weil sie es mit Popstardom, Ruhm und Erfolg nie so eilig hatte. Wichtiger waren dem Jeans Team immer der Spaß, der Quatsch und das Konzept (tolles Logo! DanielPflumm-Zitate, Musik für die Galerie und Rafael Horzon etc.), manche Verpeiltheit und ihre Fans („Hi, Fans“ hieß ihre erste Single). Inzwischen scheint das anders zu sein. Das kürzlich erschienene Album „Das ist Alkomerz“ klingt mit seinem zum Teil billig-stumpfen, zum Teil genial-melodiösen Synthiequietschpop, mit Aus-demLeben-von-Hartz-IV-Empfängern-Stücken wie „Scheiß drauf“, „Bomberjäckchen“ und „Gesundbrunnencenter“, als würden die verbliebenen Jeans-Team-Mitglieder Franz Schütte und Reimo Herfort den Ballermann im Visier haben, die Ditschen an den Stränden Südeuropas wie den Kölner Karneval.

Dass es mit diesem Vorhaben Probleme geben könnte, zeigt sich im Prince Charles ganz gut. Je länger das Konzert dauert, desto stumpfer wird die Musik, das passt schon. Gekommen sind zum einen die, die sowieso immer zu Jeans-Team-Konzerten kommen, aus Nostalgie, aus alter Verbundenheit, aus Freundschaft, von Jim Avignon über die einstigen Galerie-Berlintokyo-Betreiber bis hin zu Ex-Bandmitglied Henning Rock’n’Roll. Zum anderen aber sind junge Menschen da, die die Band erst jetzt mit „Das ist Alkomerz“ für sich entdeckt haben, die sie für den letzten coolen Post-Neue-Deutsche-Welle-Schrei halten und mit Freude die Bühne zum Tanzen mit der Band entern.

Nur die wirklich passionierten Pro-7- und Vox-Zuschauer, die passionierten Pauschalurlauber, die Mario-Barth-Fans, die grölenden Lotterpunks, die neue Zielgruppe also, die ist nicht zu sehen. Vermutlich sind Jeans Team noch immer zu elaboriert und zu hintergründig. Es ist eben schwer, der Berlin-Mitte-Spaß-Sozialisation zu entkommen.

Gerrit Bartels über die 90er Jahre, die Berliner Band Jeans Team

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