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Patrick Marber: "Hautnah" am Renaissance-Theater

Patrick Marbers "Hautnah" wird von der österreichischen Regisseurin Ulrike Jackweth am Renaissance-Theater inszeniert. Die Lust an der Geschwindigkeit tut dem Stück zunächst gut.

Die Newton-Schaukel funktioniert nach dem einfachen Prinzip von Anziehung und Abstoßung. Eine Kugel prallt auf eine andere, eine dritte wird dabei weggestoßen. Ganz ähnliche Effekte verursachen in Patrick Marbers „Hautnah“ die Geschlechterkollisionen. Vier menschliche Elementarteilchen, zwei Frauen, zwei Männer, begegnen und begehren, belügen und betrügen sich da in reihum wechselnder Paarkonstellation, und stets bleibt einer in diesem Serien-Pas-de-deux auf der Strecke.

Autor Marber, der sich von den jungen Wilden des britischen In-Yer-Face-Theatres à la Ravenhill durch Stand-Up-Comedy-Herkunft und Screwball-Affinität unterscheidet, treibt dabei mit smarten Ping-Pong-Dialogen nahezu jede Szene in eine bittere Pointe. Wie seine Figur Larry, ein Arzt mit Newton-Schaukel auf dem Schreibtisch, der sich selbst „einen medizinischen Beobachter des menschlichen Karnevalstreibens“ nennt, blickt auch Marber mit recht unbarmherzigem Amüsement auf seine Versuchsanordnung der scheiternden Beziehungen und fehlgehenden Scharaden.

Dieses Erfolgsstück aus dem Jahr 1997, das an so ziemlich jeder deutschen Bühne bereits gelaufen ist und von Mike Nichols („Die Reifeprüfung“) verfilmt wurde, inszeniert die österreichische Regisseurin Ulrike Jackwerth nun am Renaissance-Theater mit Lust an der Geschwindigkeit. Was Marbers Zwölf-Szenen-Folge, die erkennbar von Arthur Schnitzlers „Reigen“ inspiriert und auch ein Nachhall von Harold Pinters „Betrogen“ ist, zunächst gut tut.

Nichts als die emotionale Selbstentblößung

In einem nüchternen Raum der hohen Fenster, der sich als variable Projektionsfläche für die rasch wechselnden Schauplätze erweist (Bühne: Werner Hutterli), nimmt das Amouren-Karussell bei Jackwerth Fahrt auf. Der Nachrufschreiber und Möchtegernschriftsteller Dan (Urs Fabian Winiger) liest nach einem Unfall die flippige junge Stripperin Alice (Julia Malik) von der Straße auf und verliebt sich in sie. Ein Jahr später indes flirtet der unreife Liebesspieler bereits mit der geschiedenen Fotografin Anna (Natalia Wörner), die wiederum über den Umweg eines Internetscherzes den erotomanen Arzt Larry (Markus Gertken) kennenlernt. Das Vierermatch ist eröffnet, Eifersuchtsausbruch reiht sich an Trennungsszene. Über das prekäre Miteinander von Männern und Frauen erfährt man zwar nichts Neues, das aber auf kurzweilige Art. Wobei gen Ende das hohe Tempo auch die Melancholie überspielt, die „Hautnah“ bei aller Flottheit grundiert. Sehnsucht und Tristesse verkörpert Natalia Wörner als lebenserfahrene Anna, die durch den Sucher ihrer Kamera auf das flüchtige Treiben schaut, an dem sie selbst teilhat, noch am besten.

Immerhin begeht Regisseurin Jackwerth nicht den Fehler, die sexuell aufgeladene Sprache des Stücks als Provokation auszustellen, die sie nicht ist. Entsprechend aber hätte sie auf die unentschlossene Nacktheit in einer Stripszene besser verzichtet. Auch hier geht es dem Stück schließlich um nichts als die emotionale Selbstentblößung.

Wieder 27. bis 31. Januar, 20 Uhr.

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