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PAUKEN & Trompeten: Hit oder Niete

Jörg Königsdorf plädiert für Demokratie im Konzertsaal

Eine schöne Idee, die Titus Engel da für sein Konzert im Rahmen der „Zeitfenster“-Biennale gehabt hat: Um herauszufinden, ob die Komponisten des Barock besser in der Lage waren, menschliche Gefühle darzustellen als moderne Tonsetzer, lädt der multitalentierte Schweizer Dirigent am Montagabend zum Duell Alt gegen Neu ins Radialsystem. Unter dem schönen Titel Affektheischerei werden zu jedem der vier Gemütszustände Lust, Leid, Begierde und Furcht jeweils eine alte und eine brandneue Komposition präsentiert. Unter Engels unparteiischer Leitung sorgen die Musiker der beiden Kammerensembles für Alte Musik und für Neue Musik für faire Wettbewerbsbedingungen und hinterher darf das Publikum entscheiden, wer die Sache besser getroffen hat.

Aufregend ist das natürlich vor allem für die Komponisten Sven-Ingo Koch, Michael Wertmüller und Klaus Lang, die sich dem Wettstreit gestellt haben. Normalerweise weiß ein Komponist nie wirklich, wie seine Musik beim Publikum ankommt – im Rahmen der Spezialveranstaltungen für Neue Musik, bei denen ein Großteil der Uraufführungen stattfindet, pegelt sich der Applaus meist auf einem freundlichen Durchschnittsniveau ein, das keine Aussage über die emotionale Beteiligung der Zuhörer zulässt. Gejubelt wird jedenfalls nur in Ausnahmefällen, weil sich bei neuen Werken keiner mit seinem Urteil so weit aus dem Fenster hängen will. Zu buhen traut sich dagegen selbst beim größten Schrott keiner – schon allein, um nicht als Reaktionär zu gelten.

Im Radialsystem gilt dagegen gnadenlos Daumen hoch und Daumen runter, was auf jeden Fall ehrlicher ist und deshalb auch gleich zur Nachahmung für andere Veranstaltungen mit zeitgenössischer Musik empfohlen sei. Denn schließlich waren es seit jeher nicht die Erfolge, sondern vor allem die großen Reinfälle, die Komponisten weitergebracht und oft heilsame Schaffenskrisen ausgelöst haben. Und falls einer der Komponisten bei der Abstimmung völlig durchfallen sollte, kann er immerhin noch darauf hoffen, beim Wiederholungskonzert am Dienstagabend ein geneigteres Publikum zu finden.

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