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PAUKEN & Trompeten: Matthäi am letzten

Noch vor einigen Jahren hätte wohl kaum jemand geglaubt, dass Bachs Matthäus- Passion jemals den Status der wichtigsten und meistgespielten Passionsmusik verlieren könnte. Das Werk schien wie Brahms’ „Deutsches Requiem“ im November und Beethovens Neunte zum Jahreswechsel unangefochten im musikalischen Jahreskalender des deutschen Bürgertums verankert.

Noch vor einigen Jahren hätte wohl kaum jemand geglaubt, dass Bachs Matthäus- Passion jemals den Status der wichtigsten und meistgespielten Passionsmusik verlieren könnte. Das Werk schien wie Brahms’ „Deutsches Requiem“ im November und Beethovens Neunte zum Jahreswechsel unangefochten im musikalischen Jahreskalender des deutschen Bürgertums verankert.

Doch jetzt ist genau das passiert: Der ewige Zweitplatzierte, Bachs Johannes- Passion, hat der einst berühmteren Vertonung von Christi Leidensgeschichte klar den Rang abgelaufen. Allein am heutigen Sonntag hat der Konzertbesucher die Möglichkeit, in Berlin zwischen vier Aufführungen der Johannes-Passion zu wählen – vom Schwesterwerk dagegen führt der Konzertkalender nicht eine einzige Version auf. Haben die Chöre das Monumentalwerk satt? Oder liegt der Grund für den Umschwung einfach darin, dass die Geschichte nach Johannes eine gute Dreiviertelstunde kürzer und damit leichter konsumierbar ist?

Wie dem auch sei, jedenfalls scheint auch bei den Profis Matthäi am letzten zu sein: Bei den CD-Neuerscheinungen liegt in diesem Jahr ebenfalls Johannes vorn. Gleich zwei ausgezeichnete Versionen sind jetzt gekommen: Der etwas fülligere Mitschnitt von John Eliot Gardiners Aufführung aus dem Dom in Königslutter (Soli deo Gloria) und die leichtgewichtigere, agilere Variante des Flamen Philippe Pierlot (mirare). Pierlots Aufnahme zeigt vor allem in den Chören, dass eine kleinere Besetzung manchmal ein Plus an Dramatik bringt – schon allein der besseren Textdeutlichkeit und Transparenz halber. Diesen Ansatz verfolgt auch das Freiburger Barockorchester: Bei ihrer Aufführung der Johannes-Passion am Mittwoch im Kammermusiksaal spielen die Freiburger nicht nur in absoluter Minimalbesetzung, sondern lassen unter Berufung auf Bachs eigene Musizierpraxis auch noch die Chöre von den acht Solisten singen. Zwar steht zu vermuten, dass Bach selber in der knochentrockenen Akustik des Kammermusiksaals doch lieber auf eine phonstärkere Besetzung zurückgegriffen hätte, doch so sind eben auch die Zuschauer besonders gefordert, die andächtige Stimmung nicht durch unchristliche Hustensalven zu erschüttern.

Jörg Königsdorf

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