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PAUKEN & Trompeten: Verse gegen Geld

Jörg Königsdorf auf den Spuren eines toten Dichters

Johannes Brahms’ Liebeslieder-Walzer sind echte Sommerware: Wenn sich Männlein und Weiblein in Dreivierteltakt anschmachten, fühlt man sich in eine Gartenparty an einem lauen Abend anno 1869 versetzt. Ihren Reiz entfalten die meist von Chören gesungenen wechselnden Flirtkonstellationen allerdings in der vokalen Kleingruppe – wie vor kurzem Marlis Petersen, Stella Doufexis und Partner bei einem bejubelten Abend im Konzerthaus bewiesen. Nun macht sich ein zweites, kaum weniger exquisites Sängerquartett an die Liedgruppe: Zum Abschluss der zweiten Saison ihres Zyklus’ Das Meisterlied haben der Bariton Sebastian Noack und der Pianist Manuel Lange am Montag mit Annette Dasch, Judith Kamphues und Jan Kobow drei leidenschaftliche Liedsänger zum Brahms-Rendezvous in den Meistersaal gebeten.

Noacks Liedreihe ist eine der sympathischsten Initiativen der Berliner Klassikszene: Wer hier mitmacht, tut es aus reiner Liebe zur Sache – Geld verdienen lässt sich mit solchen Veranstaltungen nicht. Das muss anderswoher kommen, zum Beispiel aus Auftritten im Oratorienbereich: Sowohl Noack als auch sein Tenorkollege Kobow sind international begehrte Konzertsänger. Zusammen mit Kamphues und der Sopranistin Yeree Suh sind sie auch am Samstag in der Gethsemanekirche bei einem ungewöhnlichen Jubiläumskonzert zu erleben: Der 400. Geburtstag des englischen Barockdichters John Milton ist der Sing-Akademie ein Jubiläumskonzert wert, das einen Bogen über vier Jahrhundert schlägt. Dass ausgerechnet die Singakademie den inzwischen arg verblassten Ruhm des „Paradise Lost“-Dichters aufpoliert, hat einen besonderen Grund: Im Zentrum des Programms steht der von Johann Friedrich Reichardt zum 200. Milton-Geburtstag verfasste „Morgengesang“ für Chor und Orchester. Verbunden ist das Konzert übrigens mit einer ganz praktischen Maßnahme, um die Zeilen des Dichters wieder unters Volk zu bringen: Wer an der Kasse zehn Milton-Verse rezitieren kann, bekommt das (ohnehin moderate) Eintrittsgeld erlassen.

Jörg Königsdorf

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