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PAUKEN & Trompeten: Wallen und Heulen

Jörg Königsdorf steigt in die Gruft

Vielleicht hätte Johann Sebastian Bach doch lieber einen anderen Text vertonen sollen, als er 1727 seine „Trauer-Kantate“ auf den Tod der sächsischen Kurfürstin Christine Eberhardine schrieb. Denn immer mischt sich bei den etwas missverständlichen Zeilen „Oh, Fürstin, lass’ noch einen Strahl“ ein unterdrücktes Kichern aus dem Publikum unter die Bitte des Chores, und die feierliche Stimmung ist erst mal dahin.

Bachs Kantate ist allerdings nur das bekannteste Beispiel für die in unseren Ohren skurrile Poesie deutscher Barockdichter, die offenbar gerade von traurigen Anlässen zu den bizarrsten Einfällen inspiriert wurde. Auch wer am 30.11. um 19 Uhr in die Hohenzollerngruft des Berliner Doms hinabsteigt, sollte sich wappnen, um bei den vier Leich-Concerten aus dem Archiv der Singakademie zu Berlin nicht die andächtige Stimmung zu stören.

„Heulet, ihr Tannen“ ist das Programm nach einem der aufgeführten Werke aus der Feder eines unbekannten Komponisten überschrieben – eine in der Musikgeschichte vermutlich einmalige Aufforderung, die in diesem Fall den Zedern des Libanon gilt. Interessant ist das vom Staats- und Domchor und der Singakademie veranstaltete Konzert allerdings auch, weil die Stücke einen Einblick in die musikalische Trauerkultur Berlins im 18. Jahrhundert geben: Neben der bislang unbekannten Telemann-Kantate „Ich schicke mich zu meinem Ende“ stehen Werke des 1757 als Organist der Lübecker Marienkirche verstorbenen Johann Paul Kunzen und des Bach-Schülers Johann Friedrich Agricola („Wallet, ihr Seelen“) auf dem Programm. Der Eintritt ist frei.

Jörg Königsdorf

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