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PAUKEN & Trompeten: Wege zum Ruhm

Jörg Königsdorf schaut beim Taktstockfechten zu

Egal, wen die Jury des Deutschen Dirigentenpreises am Sonnabend zum Sieger ausrufen wird – Karrieresorgen braucht sich wohl keiner der drei Finalisten zu machen, die im Konzerthaus am Gendarmenmarkt gegeneinander antreten. Denn während die meisten Wettbewerbe lediglich die vielversprechendsten Talente aus der Schar der Hochschulabsolventen heraussieben, haben in diesem Fall die Kandidaten allesamt schon erstklassige Referenzen vorzuweisen. Die Hanns-Eisler-Absolventin Shi-Yeon Sung ist bereits seit anderthalb Jahren Assistentin von James Levine beim Boston Symphony Orchestra, der Schweizer Simon Gaudenz wirkt als Leiter des Basler Collegium Musicum und Rasmus Baumann ist als Chefdirigent des Opernhauses in Gelsenkirchen sogar schon da, wo man eigentlich erst nach dem Gewinn eines solchen Wettbewerbs hinkommt.

Das macht das Finale natürlich umso interessanter: Da man davon ausgehen kann, dass die Kandidaten ihr Handwerk beherrschen, geht es vor allem um die schlüssigste Interpretation der Partituren – also um pure Kunst. Eine heikle Aufgabe für die Wettbewerbsjury, die insgesamt 35 000 Euro verteilen darf. Denn schon die Stückauswahl deutet an, dass da drei völlig unterschiedliche Temperamente aufeinandertreffen: Während Shi-Yeon Sung sich für die heißblütige Romantik von Tschaikowskys Ballett „Romeo und Julia“ entschieden hat, forscht Simon Gaudenz in Strawinskys „Feuervogel“-Suite nach subtilen Klangfarben. Rasmus Baumann schließlich setzt mit Strauss’ „Till Eulenspiegel“ auf vollplastische Humoristik.

Interessant ist der Abend allerdings auch, weil hier nicht nur Musikerpersönlichkeiten, sondern auch unterschiedliche Ausbildungsarten aufeinandertreffen: Während Sung und Gaudenz sich über Siege bei anderen Wettbewerben in die erste Nachwuchsreihe gekämpft haben (Sung unter anderem beim Bamberger Gustav-Mahler-Wettbewerb, den zuvor auch der Venezolaner Gustavo Dudamel gewann), hat Baumann die klassische deutsche Kapellmeisterausbildung am Theater durchlaufen und sich über Repertoireaufführungen in Essen und Kassel gewissermaßen hochdirigiert. Die härteste, aber auch beste Schule, zumindest wenn man den Lebenserinnerungen großer Dirigenten von Felix Weingartner bis Günther Wand glauben darf.

Für die Maestro-Kandidaten liegt das Finalkonzert auch insofern günstig, als sie an den Tagen zuvor den Großen ihres Fachs bei der Arbeit zuschauen können. Am Dienstag beispielsweise Daniel Barenboim, der mit seiner Staatskapelle in der Staatsoper Mendelssohns 200. Geburtstag feiert. Getreu seinem Ruf als Bewahrer des Kernrepertoires mit einem Best-Of-Programm, bestehend aus „Italienischer“ Sinfonie, Violinkonzert (mit Nikolai Znaider) und „Ruy Blas“-Ouvertüre.

Interessanter für die Kandidaten dürfte allerdings am Donnerstag (auch Freitag und Samstag) der Auftritt von Simon Rattle sein. In der Philharmonie hat sich Sir Simon im Rahmen seines Schumann-Zyklus die nicht eben einfache Aufgabe gestellt, das Publikum für Schumanns mystisch verschwurbeltes Indien- Oratorium „Das Paradies und die Peri“ zu begeistern – ein Stück, an dem sich in der letzten Spielzeit schon DSO-Chef Ingo Metzmacher abmühte.

Ohnehin scheint es, als seien gerade die frühen Romantiker heute für die meisten Dirigenten das größte Problem: Während sie eine Mahler-Sinfonie quasi mit links dirigieren können, scheint es viel schwieriger, zu den vermeintlich einfacheren Werken Schumanns, Schuberts und Mendelssohns eine überzeugende ästhetische Haltung zu finden. Pumpt man sie mit Gefühl auf, werden sie schnell klebrig, setzt man dagegen auf klassische Konturen, klingen sie zu glatt, und versucht man es mit den Mitteln historischer Aufführungspraxis, besteht die Gefahr der Kurzatmigkeit.

Bei seiner Rückkehr ans Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters widmet sich Kent Nagano am Samstag (auch Sonntag) in der Philharmonie diesen drei Komponisten, die in seiner Berliner Zeit keine große Rolle gespielt haben. Aber vielleicht hat er inzwischen ja eine Lösung gefunden.

Jörg Königsdorf

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