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PEN-Kongress: Grass wirft Bush und Blair "Heuchelei" vor

Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass hat zur Eröffnung des 72. Weltkongresses der Schriftstellervereinigung "PEN" den Vereinigten Staaten und Großbritannien "Heuchelei" vorgeworfen und beide Länder bezichtigt, mit ihrer Politik den Terrorismus zu fördern.

Berlin - Washington habe den Terrorismus und Bin Laden «gezüchtet» und wolle beide nun mit Waffengewalt besiegen, sagte der Autor. Bundespräsident Horst Köhler rief in seiner Eröffnungsrede vor rund 450 Delegierten aus 80 Ländern zum Kampf gegen die Unterdrückung des freien Wortes auf.

Washington erkläre Diktaturen abwechselnd zu «Schurkenstätten» und festige so nur das «fundamentalistische Machtgefüge». «Dümmer und deshalb gefährlicher kann Politik nicht sein», betonte Grass. Der von den USA gewollte Krieg missachte die Gesetze der zivilisierten Welt und fördere nur weiter den Terror. Sogar die Wiederholung eines Kriegsverbrechens, der Einsatz von Atomwaffen, werde angedroht. «Doch alle Welt hört weg und gibt sich ohnmächtig. Allenfalls wird die Teilnahme an voraussehbar weiteren Kriegen verweigert», sagte der 78- Jährige und erntete damit lautstarke Zustimmung der Schriftsteller.

Grass zitierte eine längere Passage aus der Rede Harold Pinters zur Verleihung des Literatur-Nobelpreises im vergangenen Jahr und nahm den britischen Autor vor «blindwütigen Attacken» in Schutz. Die USA hätten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs «jede rechtsgerichtete Militärdiktatur auf der Welt» unterstützt - von Indonesien bis Chile.

«Die Verbrechen der Vereinigen Staaten waren systematisch, konstant, infam, unbarmherzig, aber nur sehr wenige Menschen haben darüber gesprochen», zitierte Grass aus der Rede Pinters. «Zwar sind wir buchhalterisch bemüht, die Opfer von Terroranschlägen aufzulisten - und deren Zahl ist schrecklich genug - aber niemand zählt die Leichen nach amerikanischen Bomben- und Raketenangriffen», sagte Grass.

Die verstümmelten Frauen und Kinder würden mit der «barbarischem Umschreibung "Kollateralschäden" banalisiert. Der Literatur- Nbelpreisträger warf US-Präsident George Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair «Heuchelei» vor. Sie glichen jenen Priestern und Missionaren, «die seit Alters her Waffen segneten und mit der Bibel den Tod in ferne Länder trugen».

In seiner Eröffnungsrede rief Bundespräsident Horst Köhler zum weltweiten Kampf gegen die Unterdrückung der freien Wortes und der Kultur auf. Vielerorts seien Schriftsteller und Journalisten von Zensur, Folter und sogar Mord betroffen, sagte Köhler. Besonders bestürzt sei er über das Schicksal vieler Autoren in Afrika, die bedroht würden oder hinter Gitter seien.

An dem ersten Weltkongress der Schriftstellervereinigung in Deutschland nach dem Mauerfall nehmen unter anderem die Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer, Margriet de Moor, Peter Nadas, A.L. Kennedy und Per Olov Enquist teil. Am Mittwoch sind die Schriftsteller bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der internationale PEN-Kongress in Deutschland war zuletzt 1986 in Hamburg zu Gast, der letzte in Berlin liegt 80 Jahre zurück. Im Mittelpunkt stehen bis Sonntag verfolgte Autoren sowie Fragen zu Zensur und Unterdrückung der Meinungsfreiheit.

«Die Freiheit des Menschen zeigt sich an der Freiheit des Wortes und der Literatur», betonte Köhler. «Wir müssen deswegen dafür arbeiten, dass in allen Ländern der Welt Literatur und Sprache Freiheit genießen und das niemand gezwungen wird, ins Exil zu gehen.» Als Land, das die Erfahrung der Vernichtung und Vertreibung des Geistes in der NS-Zeit gemacht hat, sei Deutschland besonders sensibel für die Bedrohungen der Freiheit des Geistes.

Allerdings gebe es auch unter Intellektuellen und Schriftstellern «Beispiele für Opportunismus oder grenzenlose Verblendung», sagte der Bundespräsident. «Noch jedes Herrscherlob eines Diktators ist von einem Dichter verfasst worden.» Auch Aufrufe zu Hass und Vernichtung gehörten nicht zur Freiheit, die die Literatur beanspruchen dürfe. (tso/dpa)

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