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Kultur: Peter Eisenman is a nice guy

Sie sind zur Kuratoriumssitzung am Donnerstag abend nach Berlin gekommen. Wurde dort abschließend über das Material der Denkmal-Stelen debattiert?

Sie sind zur Kuratoriumssitzung am Donnerstag abend nach Berlin gekommen. Wurde dort abschließend über das Material der Denkmal-Stelen debattiert?

Die Entscheidung ist gefallen: Kein Schiefer, sondern Beton. Die letzten Probestelen, die wir auf dem Gelände aufgestellt haben, kommen dem Endzustand sehr nahe. Dazu soll noch eine Imprägnierung gegen austretende Salze kommen. Möglich ist auch eine besondere Beschichtung gegen Graffiti.

Aber Sie haben doch einmal gesagt, Sie hätten nichts gegen Graffiti.

Ich bin nicht gegen Graffiti. Aber ich treffe nur die künstlerischen Entscheidungen, den Rest entscheidet das Kuratorium.

Wäre Schiefer nicht "schöner" als Beton gewesen - oder hätte das den Mahnmal-Charakter verändert?

Es ging nicht darum, etwas schön zu machen, im Gegenteil. Die Frage war: Wie kann man etwas Neutrales schaffen? Wir wollten eine neutrale Schönheit. Ein Beispiel: Manche Nahrungsmittel schmecken am besten pur. Was ich bei frischem Fisch hasse, ist, wenn sie eine Sauce darüberkippen. Ich möchte meinen Fisch gegrillt und basta. Für das Mahnmal wollten wir "Steine ohne Sauce". In dieser Welt der Informationsfülle, des ewigen Sprechens, wollten wir etwas Stummes, Stilles, etwas, das nichts sagt.

Aber wenn Sie von dem Stelenfeld als einem bewegten Meer oder Kornfeld sprechen, ist das doch eine Aussage.

Das Schwierige bei Architektur ist: Egal, was du machst - es sieht immer aus "wie etwas". Man kann nichts wirklich Stilles schaffen. Jacques Derrida, einer meiner Mentoren, sagte: Architekur "meint" immer etwas. Die Frage ist, wie man Präsenz reduzieren kann, um das Absente hervortreten zu lassen. Es geht nicht um Inhalte, sondern um die Absenz von Inhalten. Keine "Weinenden Bürger von Calais", keine Statuen. Wir wollten den Einzelnen auf eine elementare Erfahrung reduzieren. Wenn man Konzentrationslager besucht, fühlt man Horror und eine gewisse nostalgische Schuld. Aber wenn man wieder zurückkommt, hat man das schon psychisch verarbeitet. Diese Erfahrung dauert nicht an. Was ich wollte, war eine einzigartige Erfahrung: Wie ist es, wenn man im Raum isoliert wird? Die Gänge zwischen den Stelen sind so schmal, dass man nicht Seite an Seite durchgehen kann.

Aber der Ort der Information liefert die Inhalte doch nach ...

Deshalb ist er ja auch unterirdisch. Hätte er wie ein Imbiss in der Ecke gestanden, hätte ich mich sehr daran gestört. Ich rechne allerdings damit, dass mehr Besucher zum Ort als auf das Feld gehen - wir sind immerhin eine Informationsgesellschaft.

Ist Ihre Autonomie als Künstler durch die Vorgaben des Kuratoriums nicht tangiert?

Wie Sie wissen, hatten Richard Serra und ich eine Auseinandersetzung darüber, ob Eisenman II zu akzeptieren sei. Ein Künstler oder Bildhauer ist völlig unabhängig von seinem Auftraggeber, ein Architekt nicht. Wenn mein Auftraggeber eine Garage für seine beiden Autos am Haus haben will, kann ich mich auch nicht verweigern. Ich habe keine Autonomie - außer, ich entscheide mich, einen Auftrag abzulehnen.

Warum suchen Sie Neutralität? Was stört Sie an der Vermittlung von Inhalten, wie sie etwa im Jüdischen Museum stattfindet?

Ich mag das Konzentrationslager-Business nicht und auch nicht das der Holocaust-Museen. Die beladen die Leute mit nostalgischer Schuld. Ich mag einfach keinen Kitsch. Deshalb mochte ich auch den Film "Schindlers Liste" nicht - weil ich meine, das ist Kitsch.

Sind Sie sicher, dass der Ort der Information nicht kitschig wird?

Das ist nicht mein Problem. Wenn ich als Architekt ein wunderbares Haus für Sie baue und Sie darin fürchterlich kitschige Möbel aufstellen, kann ich das auch nicht verhindern. Und außerdem finde ich den jetzigen Entwurf subtil und unprätentiös, damit bin ich sehr einverstanden.

Im Frühjahr sollen die Arbeiten am Fundament des Mahnmals endlich beginnen, Sie rechnen damit, dass das Stelenfeld am 27. Januar 2004 eröffnet wird. Nachdem nun fast alle Fragen und Missverständnisse geklärt sind - gab es für Sie je einen Punkt, an dem Sie kurz davor waren, hinzuwerfen?

Diesen Punkt haben wir definitiv überschritten. Aber als ich begann, mich mit dem Wettbewerb zu beschäftigen, war ich sehr unsicher, ob ich es überhaupt tun sollte. Ich bin kein Holocaust-Sammler. Ich war nie daran interessiert, ein jüdischer Architekt zu werden oder jüdische Kunstgegenstände zu entwerfen. Ich bin ein amerikanischer Architekt, der zufällig ein Jude ist. Ich hatte auch keine direkten Verbindungen zum europäischen Judentum. Meine Familie emigrierte 1848 aus Straßburg, als es noch zu Deutschland gehörte. Wir hatten keine Verwandtschaft in Deutschland während der Nazizeit. Aber Sie sollten auch wissen: Während des II. Weltkrieges beharrte meine Großmutter, die in den USA geboren wurde, darauf, dass sie Deutsche sei. Dies war der Geist, im dem ich aufwuchs. Der Holocaust hat mich also nicht persönlich betroffen.

Auf dem Symposium im November, das sich mit der inhaltlichen Ausgestaltung des "Ortes der Information" beschäftigte, haben Sie über Denkmäler und in diesem Zusammenhang auch über "Ground Zero" an der Stelle des zerstörten World Trade Centers referiert.

Ich plane gerade ein Projekt für einen privaten Auftraggeber dort. Aber fragen Sie mich im Juli noch einmal, dann ist die Sache spruchreif. Solche Pläne brauchen Zeit. Und noch eine Bitte: Schreiben Sie diesmal nicht wieder in die headline "Mahnmal gefährdet", sondern "Peter Eisenman is a nice guy."

Sie sind zur Kuratoriumssitzung am Donnerstag aben

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