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Elbphilarmonie

© dpa

Philharmonie: Sinfonie einer Hafenstadt

Die Elbphilharmonie kommt - und stellt das Hamburger Musikleben auf den Prüfstand. Es besteht die Hoffnung, etwas breitere Publikumsschichten zu gewinnen.

Die Elbphilharmonie soll ein Haus für alle werden. Und solange sich über dem Kaispeicher A nichts als der graue Himmel wölbt, ist sie für jede Erwartung zu haben: Hamburg wird kulturell Weltspitze, das Haus ein Wahrzeichen für sich und die Säle grandios. Baulich kommt Hamburgs Musikleben mit dem gläsernen Segel am Bug der neuen Hafencity allemal im 21. Jahrhundert an. Während man in der neobarocken Laeiszhalle seit 100 Jahren streng nach vorne schaut, werden sich in der Elbphilharmonie die Ränge um die Bühne herum wie Bänder in die Höhe schwingen. Über 2000 Plätze bekommt der große Saal, 500 der kleinere und einen charmanten Arbeitstitel: Multifunktionssaal. Und morgen geht das Ganze schon mal in Betrieb: Für ein Festival auf der Elbinsel Wilhelmsburg baut der Künstler Daniel Richter seine eigene Version der Philharmonie – aus Containern, Schrott und Planen. Billiger, schneller, besser, so lautet sein Motto. Und halten soll sie nur zwei Tage.

Etwas nachhaltiger gestaltet sich da die Wirklichkeit. 67 Millionen Euro haben die Bürger bisher gespendet, ein Gutteil davon fließt in die Finanzierung des öffentlichen Gebäudeteils. Allein der kostet insgesamt 190,9 Millionen Euro. 114,3 Millionen Euro kommen aus dem Haushalt, der Rest wird öffentlich querfinanziert. Die Kulturbehörde wird zudem den Löwenanteil der als Etat vorgesehenen 3,6 Millionen Euro pro Saison aufbringen müssen.

Ab 2010 soll der designierte Generalintendant für beide Häuser, der Wiener Christoph Lieben-Seutter, den Weltstadtanspruch inhaltlich einlösen. Ein Drittel der Veranstaltungen kann er selbst bestreiten, im Übrigen wird er fremdvermieten müssen. Das schreckt ihn nicht, hat er doch am Wiener Konzerthaus vorgeführt, wie man mit begrenzten Mitteln anspruchsvolle Programme fahren kann.

In Hamburg muss er für zwei Häuser Profile entwickeln – und vor allem gleich zwei Platzhirsche an den Runden Tisch kriegen. Die Programmhoheit über die Laeiszhalle beanspruchen seit Jahr und Tag die Konzertdirektion Goette (samt angestammtem Repertoire von Beethoven bis Dvorák) und der Norddeutsche Rundfunk. Dessen Sinfoniekonzerte wagen sich immerhin bis zur klassischen Moderne vor. Frischen Wind bringt die hauseigene M-Reihe, die schon mal Renaissancemusik mit tintenfeuchten Auftragswerken kombiniert. Und das Ensemble Resonanz als ensemble in residence hat es gar fertiggebracht, für seine avantgardistische Reihe „Resonanzen“ einen treuen Hörerstamm zu gewinnen.

Der künftige Verbleib des Ensembles ist noch offen. Unterdessen hat der NDR flugs seinem Orchester die Residenz in der Elbphilharmonie gesichert – man munkelt von 300 000 Euro pro Saison, was der Sender freilich nicht kommentieren will. Der Trostpreis geht an die Hamburger Symphoniker, die sich unter dem jungen Andrey Boreyko erstaunlich entwickelt haben: Sie werden Residenzorchester der Laeiszhalle.

Die Philharmoniker schließlich bleiben, wo sie sind, nämlich in der Staatsoper. Dort besegeln sie vertraute Gewässer unter der Australierin Simone Young, die ihren Vertrag als Generalmusikdirektorin und Intendantin soeben bis 2015 verlängert hat. In der kommenden Saison gibt es gerade einmal fünf Neuproduktionen, darunter dreimal Strauss sowie das „Rheingold“ als Start des neuen „Rings“ (Regie Claus Guth). Während Youngs musikalische Arbeit hoch geschätzt wird, hört man aus dem Haus so manchen Seufzer über Desorganisation und mangelhafte szenische Koordination. Für Regie und Solisten ihrer „Frau ohne Schatten“ musste Young gar einen Eklat einstecken. Und die Premieren sind keineswegs so gut besucht wie erwartet.

Nun ist es mit dem Hamburger Publikum so eine Sache, davon können auch die vielen kleinen Ensembles und Veranstalter ein Lied singen. Wer nicht wie die „Octogonale“ im Bucerius Kunst Forum oder die Reihe „Zweimal hören“ der Körber Stiftung einen veritablen Werbeetat oder potenten Medienpartner hat, dem fehlt es an Öffentlichkeit. Die örtlichen Zeitungen besprechen fast nur noch Opernpremieren oder die Weltstars in der Laeiszhalle. So können die Mitglieder des hochkarätigen Ensemble Acht jedem Besucher persönlich die Hand schütteln, wenn sie ihre Ausgrabungen und Uraufführungen im Jenisch Haus präsentieren. Viele Musiker hoffen, dass die Elbphilharmonie die Rolle der Musik in der Stadt aufwerten und neue Publikumskreise erschließen wird. „Sie ist ein Sinnbild dafür, dass Musikkultur endlich ein Thema geworden ist“, sagt Elmar Lampson, Präsident der Hochschule für Musik und Theater. „Davon profitieren alle!“ Welche Förderungen die Kulturbehörde für den Etat der Elbphilharmonie einsparen wird, weiß indes niemand.

Wenigstens die Kirchen sind davon weitgehend unabhängig. Trotz löchriger Steinböden und schadhafter Beleuchtung halten sie die große Hamburger Tradition der Kirchenmusik tapfer aufrecht. „Da klingt Alte Musik doch am schönsten“, findet der Barockgeiger Thomas Pietsch. „In die Elbphilharmonie lädt man das Chicago Symphony Orchestra ein, die spielen da Bruckner.“ Geteilte Welt, gute Welt.

Informationen im Internet: www.elbphilharmonie.de, www.laeiszhalle.de, www.hamburgische-staatsoper.de.

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