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Kultur: Philosophie des Rasenmähens

Mühsam wird er über den Rasen hin und her geschoben, walzt die Wiese platt und dröhnt. So unerträglich laut, dass der Gärtner Schönbrunner Park Ohrenschützer in Wien tragen muss.

Mühsam wird er über den Rasen hin und her geschoben, walzt die Wiese platt und dröhnt. So unerträglich laut, dass der Gärtner Schönbrunner Park Ohrenschützer in Wien tragen muss. Die anderen Grünpfleger in Toni Kays sechs Filmen, die er unter dem Titel "Lawnmower" zusammengefasst hat, scheinen den Lärm gelassener hinzunehmen. Schließlich ging es dem Künstler darum, die Tätigkeit des Rasenmähens als eine Art mönchische Arbeit darzustellen, die aus Fürsorge für die Natur, gleichmütig und ausdauernd, geleistet wird. Denn, so gewaltsam uns auch der Eingriff des Rasenmähers erscheinen mag, fördert das Schneiden des Rasens das Wachstum der Grashalme. Durch das Abschneiden werde die Natur des Rasens "in einer Symbiose von Künstlichkeit in der Natur mit dem natürlichen Tun des Künstlichen geradezu forciert", schwärmt der Künstler im Erklärungstext.

Zu solchen Klimmzügen des Denkens ist der Besucher des Videofestivals "Making Nature", das im Berliner Haus am Waldsee zu sehen ist, öfter gehalten. Künstlerische Eingriffe in Naturzusammenhänge und die künstliche Erzeugung von Natur in Wissenschaft und Kunst wollten die Veranstalter zeigen, das Verhältnis zwischen Kunst und Natur unter die Lupe nehmen. Die 23 geladenen Künstler - zugleich ausgebildete oder autodidaktische Naturwissenschaftler - lieferten verblüffendes Anschauungsmaterial.

Wolf Vogler etwa, der in seinem Videofilm "Energie-Evokation" eine Zukunft heraufbeschwört, in der wir uns auf wogenden Pflanzenteppichen fortbewegen statt mithilfe röhrender Motoren. Durch ein wissenschaftliches Experiment versuchte der Frankfurter Künstler zu beweisen, dass seine Idee bei allem scheinbaren Irrwitz doch zu verwirklichen wäre. In einem von Miniaturgleisen flankierten Laborbecken säte er Samenkörner der Kresse aus; als Symbol eines künftigen Naturgefährts legte er einen Plastikbehälter über den Becken. Wie durch das Keinem und Wachsen der Kresse das Fahrzeug vorwärts getrieben wird, sieht man im Film.

Trotz der Verschränkung von künstlerischen und wissenschaftlichen Verfahren, die viele der Videoarbeiten kennzeichnet, ist "Making Nature" keine Umweltschutzveranstaltung, in der die Kunst als Vorwand dient, naturschonende Technik zu präsentieren. Zwischen Natur und Kultur wird der Ausgleich gesucht, das alte Gegensatzpaar in Frage gestellt.

Das geht aber nicht auf Kosten des Visuellen. In "Granturismo" von Günther und Loredana Selichar ist eine rasante Autofahrt durch eine Landschaft vom Blickwinkel des Fahrers aufgezeichnet. Die Kamera steht hinter der Windschutzscheibe. Durch den Aufprall der Insekten, die dem Fahrzeug entgegenfliegen, verwandelt sich das Glas in eine Bildfläche, nach und nach mit rot-weißen Klecksen übersät. So entsteht ein abstraktes, farbenpralles Gemälde. Dessen Schönheit tut der kritischen Intention des Künstlerpaares keinen Abbruch. Auch "Spider-Hunt" von Raphael Barth ist ein Beispiel dafür, daß die Kunst an der Natur ihren eigenen ästhetischen Maßstab anlegt. Weißkristallene, verschwommene Linienmuster mausern sich zum Bild einer Spinne. Scharfen Aufnahmen des jagendes Tieres folgen digitalverfremdete, zerdehnte, kreisende Bewegungsabläufe. Ein Kunstkniff: Die Spinnenjagd wird zum Farbtanz überhöht. Keine Öko-Vision, ein Naturmysterium.

Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, bis 21. Januar. Dienstag bis Sonntag 12-20 Uhr.

Aureliana Sorrento

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