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Mitsuko Uchida.

© Decca/Justin Pumfrey

Pianistin Mitsuko Uchida im Kammermusiksaal: Nachdenken über Musik

Im ausverkauften Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie spielte die Pianistin Mitsuko Uchida ein schlichtes klassisch-romantisches Programm.

Im ausverkauften philharmonischen Kammermusiksaal spielt die Pianistin Mitsuko Uchida ein schlichtes klassisch-romantisches Programm, Schuberts vier Impromptus D 935 nämlich, darunter die wunderbaren „Rosamunde“-Variationen, und nach der Pause Beethovens 33 Diabelli-Variationen. Natürlich wird das Ganze überhaupt nicht schlicht, und auch nicht nur klassisch-romantisch. Denn Uchida lässt schon Schubert sonderbare Dinge tun, zum Beispiel in den trotz Abkadenzierung seltsam fragenden Abschnitten des zweiten Impromptus oder in dessen starken harmonischen Wechseln, die den Flügel klingen lassen wie massiv verstimmt. Oder in der wunderbaren Gemächlichkeit des „Rosamunde“-Themas, dem teuflisch schrägen Beginn des Impromptu in f-Moll.

Schnell entwickelt man eine tiefe Abhängigkeit zum Spiel der fast Sechsundsechzigjährigen, sie soll weiterspielen, immer weiter, mehr hören lassen von ihrem selbstverständlichen Wissen um diese Musik, ihrer durch nichts zu beirrenden Ruhe. Ganz so wird sie auch die Diabelli-Variationen vor Augen und Ohren führen, jene einzigartig überzogene Reaktion auf den 1819 ergangenen Auftrag des Verlegers Anton Diabelli, der von Beethoven eigentlich nur eine einzige Variation angefordert hatte.

Mitsuko Uchida probiert immer Neues

Und auch wenn man dieses Werk nicht lieben muss, ihm vielmehr mit dem Argwohn derer begegnen darf, die schon das etwas grob bollernde Thema nicht ins Herz schließen können (Uchida spielt es zahnarztklar, mit scharfen Zäsuren) und in der 33-fachen „Veränderung“ dieses Themas vor allem das große Insistieren des großen Komponisten hören – auf dem eigenen handwerklich-künstlerischen Können, auf der Alleinstellung unter den zeitgenössischen Kollegen: Sogar dann zwingt diese Interpretation in die Knie.

Mitsuko Uchida zeigt das Werk als langen, alles meinenden und umgreifenden Prozess, mit Seitenblicken zu Dada und vollständiger Verrätselung, wie im Andante an zwanzigster Stelle, mit einer geradezu liebevollen Verbeugung vor alten Satztechniken, wie in der Fughetta von Nr. 24, oder einem unendlich lang gezogenen, immer noch Neues ausprobierenden Schluss. So stark wirkt ihr tönendes Nachdenken über dieses Werk nach, das ja seinerseits Nachdenken über Musik ist, dass man noch an der Garderobe der Philharmonie in Gedanken ist, auf fast körperlich Weise mitgenommen.

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