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Kultur: "Picking Up the Pieces": Metzger und Madonna

Das Vorspiel, offenbar nur ein Traumspiel, ist die alte Varieté-Nummer mit der zersägten Jungfrau. Woody Allen tritt auf mit Zauberhut und Kettensäge, während Sharon Stone als leichtgeschürzte Partnerin in die sargähnliche Kiste steigt.

Das Vorspiel, offenbar nur ein Traumspiel, ist die alte Varieté-Nummer mit der zersägten Jungfrau. Woody Allen tritt auf mit Zauberhut und Kettensäge, während Sharon Stone als leichtgeschürzte Partnerin in die sargähnliche Kiste steigt. Und Tusch. Und Säge. Und Schnitt.

Jetzt fährt Allen (der doch gar nicht Auto fahren kann) im Wohnmobil durch eine Wüstennacht. Er habe seine untreue Frau umgebracht, sie in sieben Stücke zerlegt, denn er sei Metzger. Unterwegs, irgendwo zwischen Texas und New Mexico, vergräbt er die geliebten Leichenteile und will unter Gringos und Gauchos ein neues Schlachterleben beginnen. Woody, das metropolitane intellektuelle Nervenbündel, ist nun in einem gottverlassenen Kaff am südlichsten Ende der USA der vermutlich dünnste und dümmste Metzger der Filmgeschichte. Aber er ist zugleich der Hauptdarsteller und Ich-Erzähler - und wir denken immer noch, dieses "Picking Up the Pieces" sei ein Woody-Allen-Film. Wenngleich die Zweifel wachsen.

Sharon Stone alias Candy war ein Nüttchen, und der mörderische Metzgergatte hatte ihre linke Hand wohl nicht richtig verscharrt. Eine Blinde stolpert über das Teil on the road, wird darauf stehenden Fußes wieder sehend, bringt die abgesägte Hand mit den grünen Nägeln und dem fluchend ausgestreckten Mittelstinkefinger zum Priester des nächsten Städtchens. In dessen abgewrackter Kirche avanciert das Corpus delicti sogleich zur Reliquie, der Fingerzeig der Hure verheißt heilige Heilung: Pickelige Jungs verlieren ihre Akne, Mädchen schwellen die Brüste, Sexkrüppeln wachsen meterlange Pimmel - und der schwarz gelockte Priester sucht den Himmel ohnehin lieber zwischen den Schenkeln einer heißblütigen Señorita. Das Wunderdorf nennt sich sinnigerweise El Niño, der falsche Madonnenkult gerät zur Medienattraktion: Geschäfte und Geilheit blühen, bis der jüdische Metzger den Beichtstuhl sucht und ein Polizist, der einst Candys Kunde war, den falschen Zauber auffliegen lassen will. Aber Woody wird doch nicht so recht katholisch, und das Bullenproblem löst die gläubige Menge, indem sie den Schnüffler in der Kirche zum Gaudium aller: lyncht.

Eine rabenschwarze Komödie? Nein, ein zappendusteres Missverständnis. Die krude Geschichte humpelt und holpert nur wirr dahin, die Szenenanschlüsse wirken so dilettantisch, dass den Bildschnitt - sonst selbst in schwächeren Allen-Filmen ein elegantes Markenzeichen - hier in der Tat ein Filmmetzger besorgt haben muss. Fast schon zweifeln wir, ob in diesem Splatterschmarrn der wahre Allen und die Stone und Kiefer Sutherland (als Polizist) oder David Schwimmer (als Priester) überhaupt mitgespielt haben. Und wirklich stammen die grobianisch nachgemachten Allen-Dialoge von einem gewissen Bill Wilson, und der im Nachspann versteckte Regisseur heißt Alfonso Arau. Das Ganze ist ein Fake, der große Clown hier ein kleiner Klon. Weil diese Produktion aber so billig wirkt, fragt man nicht nur, ob Allen ein Alien war. Vielleicht hat auch die Schecks der Stars am Ende nichts als ein Wunder gedeckt.

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