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Kultur: Plötzlich unbezahlbar

Nach 22 Jahren hat der Kölner Design-Pionier Ulrich Fiedler seine Galerie in die Hauptstadt verlegt

Herr Fiedler, nach 22 Jahren in Köln sind Sie mit Ihrer Galerie nach Berlin umgezogen: Weshalb?

Es hat mich gereizt, in die Hauptstadt der deutschen Moderne zu gehen. Der zweite Grund ist, dass Köln als Kunsthandelsplatz momentan leidet. Unsere Kunden sind international. Diese Internationalität sehen wir in Köln immer weniger. Auf dem Niveau, auf dem wir arbeiten, sind die Sammler von bildender Kunst beinahe identisch mit den Sammlern von Designobjekten.

Also funktioniert das Crossover, das Händler von alter Kunst mit Blick auf Contemporary-Sammler anzuregen versuchen, beim Design schon längst?

Das ist kein Crossover. Nehmen wir die De-Stijl-Gruppe der zwanziger Jahre. Da hatte ein Möbelstück oder eine Architektur die gleiche Relevanz wie ein Bild. Dort ging es um die universelle utopische Idee, durch Kunst und Gestaltung das Leben der Menschen zu verbessern.

Lässt sich der Widerspruch zwischen dem sozialen Anspruch von Design damals und der hohen Bewertung am Kunstmarkt heute auflösen?

Die Moderne, zumindest die deutsche, hatte keine Chance. Mit den Nationalsozialisten war alles vorbei. Das hat dazu geführt, dass nur kleine Stückzahlen produziert wurden. Meilensteine der Kunstgeschichte. Teuer gehandelt werden diese frühen Originale, Im Idealfall: der Prototyp. Marcel Breuer würde es sicher freuen, wenn er seine Idee des Freischwingers nun in jedem Möbelhaus sähe: für 39 Euro millionenfach reproduziert.

Wird historisches Design oft gefälscht?

Bisher selten. Design ist ein spezieller Markt. Stahlrohrmöbel etwa könnte man nur mit großem Aufwand fälschen. Um ihre halbindustriellen Fertigungsverfahren nachzuahmen, bräuchte man spezielle Maschinen. Das lohnt sich erst ab einer bestimmten Auflage. Auf Auktionen kommt es immer mal wieder vor, dass Stücke falsch datiert werden und Einlieferer ein bisschen nachhelfen, damit ein Stück älter aussieht. Sie müssen auf die kleinen Variationen im Detail achten. Bei einem Stahlrohrstuhl von Marcel Breuer kann ich sagen, ob er von 1926 oder 1931 ist.

Sie haben als Quereinsteiger begonnen. Wann wollten Sie Profi werden?

Während meines Studiums und Zivildienstes habe ich auf Flohmärkten gehandelt. Damals bin ich von Aachen nach Belgien und Frankreich gefahren. Und habe mich ganz schnell von dem entfernt, was man Antiquitäten nennt. Für Stahlrohr oder Bugholzmöbel interessierte sich außer mir keiner. Bald habe ich zu recherchieren begonnen: Wo kommen die Stücke her, wann sind sie gemacht worden? So wird man zum Sammler und zum Händler. Aber es hat sechs, sieben Jahre gedauert, bis ich gemerkt habe: Das willst du dein Leben lang machen.

1986 eröffneten Sie mit Ihrer Frau Katharina Evers in Köln die Galerie.

Wir hatten eine umfangreiche Sammlung zusammengetragen, die innerhalb eines Jahres verkauft war. Vor der Eröffnung hatte ich alle Zeit der Welt zum Stöbern, hab’ sogar mal einen originalen Mies-van-der-Rohe-Sessel aus dem Container gezogen. Ende der achtziger Jahre hat sich der Markt dann schnell entwickelt und ich war, neben ein oder zwei Kollegen, weltweit einer der Hauptprotagonisten geworden.

Was werden Sie in Berlin präsentieren?

Nach den Brüdern Luckhardt (s. Kasten) möchte ich die Deutsche Bauausstellung von 1931 beleuchten. Und natürlich weiterhin Architekten und Entwerfer, die in Berlin wichtig waren. Doch wir werden nicht Ausstellung auf Ausstellung folgen lassen, wie eine Galerie für zeitgenössische Kunst das kann.

Ihr Material ist ungleich schwieriger aufzutreiben?

Unsere Stücke sind kaum wiederzubeschaffen. Diese Lampe da, ein Prototyp von Frederick Kiesler, gibt es nur einmal auf der Welt. Wenn wir sie verkaufen, ist sie weg. Ich will keine Bedürfnisse wecken, die ich nicht befriedigen kann. Deshalb arbeiten wir sehr zurückhaltend. Bei einem Designer wie Jean Prouvé, dessen Marktpräsenz französische Kollegen kreiert haben, läuft so was ganz anders. Ich finde ihn wahnsinnig wichtig, aber seine Objekte sind teilweise tausendfach produziert worden. Man kann einen Markt schaffen und bedienen, wenn man die Lager voll hat. Das kann ich mit meinen Themen, etwa dem Bauhaus, nicht leisten.

Was halten Sie von zeitgenössischen Gestaltern wie Ron Arad , die mit Designgaleristen Kleinstserien auf den Markt bringen, um Rekordpreise zu erzielen?

Ron Arad hat in den achtziger Jahren ein paar gute Sachen gemacht. Heute versucht er, mit jedem Entwurf einen neuen visuellen Kick zu liefern. Es ist wie bei der zeitgenössischen Kunst: Vieles kann man fast mit der Halbwertzeit der Mode- oder Musikindustrie vergleichen. Das hat nichts mit den Sammlern zu tun, mit denen wir arbeiten. Die haben eine ganz andere Herangehensweise: eher wissenschaftlich-akademisch, oder konzeptuell.

Verkaufen Sie viel an Museen?

Internationale Museen sind seit Jahren unsere Hauptkundschaft. Schade, dass so wenig in Deutschland bleibt. Obwohl es engagierte Museen gibt, die noch in der Lage sind, bei den hohen Marktpreisen mitzuhalten. Stücke von großer Relevanz müssen viel kosten, da gibt es kaum noch Unterschiede zur bildenden Kunst. Es wird ja auch nicht angezweifelt, dass ein guter Kandinsky oder Klee teuer ist.

Preisrekorde werden derzeit eher mit Nachkriegsdesign erzielt.

Wenn sich drei oder vier Sammler auf einen lange unterbewerteten Designer wie Carlo Mollino stürzen. Er hält den Weltrekord für ein Designobjekt: knapp vier Millionen Dollar für einen Tisch. Bei Christie's steigerten sich zwei seriöse Sammler mit absoluter Leidenschaft gegenseitig hoch. Mich hat das ein wenig erschreckt. Wir haben zwanzig Jahre dafür gearbeitet, dass Design monetäre Wertschätzung genießt. Wir haben wichtige Möbel von Mollino verkauft. Und plötzlich stellt sich das Gefühl ein: Das ist vorbei jetzt, ich kann mir das nicht mehr leisten.

Wie beurteilen Sie den Boom von Design- auktionen?

In den Auktionshäusern fehlt es oft an Kompetenz. Ich möchte nicht unterstellen, dass Stücke bewusst falsch datiert werden. Aber bei vielen Objekten ist Wunschdenken zu erkennen.

Was erwartet Ihre Kunden?

Wir sprechen Sammler an, die sich oft im Bereich bildende Kunst engagieren und durch uns zum Design gefunden haben. Wir vermitteln ihnen: Bei Design gelten die gleichen Kriterien wie bei einem Bild. All das hat seinen Preis. Ich glaube, ich muss in Berlin noch etwas Pionierarbeit leisten.

Das Gespräch führte Michael Zajonz

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