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Kultur: Pop-Art: Kiss me Koons

Küss mich, locken diese prall aufgeworfenen Lippen, knabbere mich, fordern diese Nägel, die aussehen wie Stücke von Hershey Luftschokolade, nimm mich, bitten diese Brüste, so weich so voll so seidig, beiß mich, befiehlt der goldkäsetriefende Cheeseburger. Genau.

Küss mich, locken diese prall aufgeworfenen Lippen, knabbere mich, fordern diese Nägel, die aussehen wie Stücke von Hershey Luftschokolade, nimm mich, bitten diese Brüste, so weich so voll so seidig, beiß mich, befiehlt der goldkäsetriefende Cheeseburger. Genau. Es geht um Sinnlichkeit. Um Lust. Um Sex. Wer das Wort genussvoll ausspricht, dessen Mund strahlt besonders fotogen - alter Trick von Models beim Shooting. Das weiß Jeff Koons, dessen Lächeln vor den Kameras das eines Verführers ist.

Mit 14 fluoreszierend bunten Gemälden und sieben glamourösen Spiegel-Objekten aus drei Serien der Jahre seit 1995, alle zwei bis dreieinhalb Meter monumental, krönt der amerikanische Star nun im Kunsthaus Bregenz sein brillantes Comeback als Superman des Pop. Der "abgemeldetste Künstler der neunziger Jahre", nannte ihn der deutsche Schriftsteller Rainald Goetz 1999. Jetzt zeigt sich Koons nach einer rund acht Jahre dauernden Ausstellungspause in 46 Jahren gereifter Topform. Ein bisschen vermessen wie jeder Prophet hatte Koons 1992 in seinem "Handbuch" erklärt: "Ich mache einiges der größten Kunst, die zur Zeit entsteht. Die Kunstwelt wird 10 Jahre brauchen, um dahinterzukommen." Wie hellsichtig! Doch damals war nicht nur der Kunstmarkt gerade zusammengebrochen, auch Koons erlebte ein Desaster. Zwar hatte er mit Skulpturen und Bildern der Werkgruppe "Made in Heaven" weltweit Boulevard-Schlagzeilen gemacht, die ihn und Exfrau Ilona Staller, das italienische Pornosternchen Cicciolina, in Orgasmus-Posen verewigte. Doch dann entführte die Mutter Baby Ludwig nach Rom. Die juristische Schlacht um das Sorgerecht hält bis heute an, sie zerrte an Koons materieller und psychischer Substanz. Er zog sich zurück, telefonierte täglich mit seinem Sohn und besuchte ihn einmal im Monat für eine Woche.

Im inneren Exil, so die Saga mit Koons-Copyright, begann er 1994 am sechzehnteiligen Bilder-Zyklus "Celebration" zu arbeiten: "Ich wollte meinen Sohn wissen lassen, dass ich immer für ihn da bin." Sechs Gemälde der nach wie vor aus Kostengründen unfertigen Serie sind in Bregenz zu sehen, und auf jedem inszeniert der Künstler hysterisch hyperpräsente Symbole der Zuneigung, ein rotes Herz, eine Geschenkschleife in metallischem Pink, auch einen aufblasbaren "Balloon Dog" als luxuriösen Talismann für kleine und große Kinder. "Celebration handelt von Hoffnung, von der Zukunft und dem Respekt vor der Menschlichkeit", behauptet Seelenfänger Koons, und auch, dass "Moral" in seinem Werk eine "sehr wichtige Rolle" spiele.

Virtuos wie kein anderer Künstler beherrscht er die Kommunikation der Verführung, das Spiel mit den Reizen der Oberfläche und dem Sex der Materialien. Es ist so einfach wie komplex. Sein Prinzip ist Manipulation, seine Technik De-Konstruktion und Neu-Kombination, sein Ergebnis eine makellose Collage der Äußerlichkeit. Niemand setzt die haptischen Reize von Werkstoffen so souverän ein wie Koons, niemand investiert derart viel Geld und besessene Detailgenauigkeit in den technisch makellosen Herstellungsprozess. Genau deshalb entfalten seine Arbeiten ihre Sogwirkung als Projektionsflächen für erotische Impulse und unseren Voyeurismus. Schon mit "Puppy", der gigantischen Hunde-Plastik aus Tausenden Blüten, zuletzt 2000 vor dem Rockefeller Center in New York installiert, seit Februar 2000 auch mit der blauen "Balloon Flower" auf dem Potsdamer Platz in Berlin, zog Koons das Publikum mit einer explosiven Mischung aus Unschuldsaura und Fetischsignal unwiderstehlich an.

Bilder wie "Auto" und "Pam", eine Hommage an Pamela Anderson, die "zeitgenössische Mona Lisa oder Venus von Willendorf", so Koons, sind ebenso vielschichtige wie transparente Montagen aus Werbefotos und kunsthistorischen Motiven. Sie dienen als dekorative, ideologie- und inhaltsfreie Spiegel des Bewusstseins ihrer Betrachter. Konsequenterweise besteht die neue Serie "Easy Fun" vor allem aus einer Reihe farbig laminierter Spiegel aus Kristallglas und Edelstahl mit den Konturen von Tieren. Selbst leer werfen sie den Betrachter auf sich selbst zurück.

Eva Karcher

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