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Schwarm dänischer Mädchen. Lukas Graham (2.v.l.) mit seiner Band.

© Universal

Soul-Newcomer Lukas Graham: Pop ist eine große Lüge

Lukas Graham stammt aus Dänemark – und brachte es zum Soul-Star. Ein Gespräch über die Kommune Christiania, Black Music und das Glück.

In der Kopenhagener Hippiekommune Christiania ist er aufgewachsen. Dann reüssierte Lukas Graham, 23, in Dänemark als Kinderstar in Filmkomödien, bis er zum Soul-Musiker wurde. Am Freitag erscheint sein Debütalbum „Lukas Graham“ (Universal) in Deutschland.

Herr Graham, Sie träumten davon, entweder Popstar oder Rechtsanwalt zu werden. Das sind zwei ziemlich unterschiedliche Berufswünsche.
Bei beiden geht es darum, im Rampenlicht zu stehen und eine glaubhafte Performance abzuliefern. In beiden Berufen geht es darum, stilvoll zu lügen.

Sie belügen Ihre Fans?

Wenn Du als Popmusiker voller Inbrunst Liebeslieder singst, lügst du doch auch. Zu unseren Konzerten in Dänemark kommen auch viele Teenie-Mädchen. Irgendwie belügen wir sie, wenn wir die ganze Zeit von der großen Liebe singen.

Die Fans in Dänemark scheinen Ihren Lügen zu glauben.

Ich glaube, als Personen sind wir ganz authentisch geblieben, auch wie wir über Facebook und Instagram kommunizieren. Das merken die Fans.

Wie muss man sich das vorstellen, wenn Sie in Dänemark spielen?

Wir sind da so etwas wie die Band für die ganze Familie. Zwischen zehn und 80 Jahren alt sind die Leute, die zu unseren Konzerten kommen. Als wir dieses Jahr in Christiania umsonst und draußen gespielt haben, sind 30 000 Leute gekommen. Und unsere Platte hat sich in Dänemark schon mehr als 60 000 Mal verkauft.

Woran liegt es, dass Sie mit Ihren Songs alle Generationen ansprechen?

Vielleicht daran, dass ich mit meinen Liedern Geschichten für alle erzählen will. Und wenn sie nicht für alle funktionieren, ist die Geschichte nicht gut genug. Der Sound muss nicht perfekt sein.

Sie sind in Christiania aufgewachsen, gleichzeitig waren Sie Kinderstar in Familienfilmen. Sind Sie in zwei verschiedenen Welten groß geworden?

So habe ich das nie gesehen. Für mich war es der richtige Weg. Ich bin durch die Filmproduktionen zu einer klassischen Musikausbildung gekommen, habe dann bei großen Theaterproduktionen mitgewirkt. Irgendwann bin ich zum Rap und Hip-Hop gekommen.

Heute nennen Sie Ihre Musik Ghetto-Pop.

Ja.

Aber Sie stammen nicht aus dem Ghetto.

Besuchen Sie Christiania …

… würden Sie das als Ghetto bezeichnen?

Man nennt es nur nicht so, weil da nicht genug Leute leben. Sonst gibt es Parallelen: Die Polizei ist nicht willkommen, es gibt viele Drogen. Aber die Bezeichnung habe ich nicht wegen unserer Herkunft gewählt. Eher wegen unserer Mixtur aus Soul, Blues, R’n’B, Hip-Hop und Jazz. Wir mischen die gesamten schwarzen Musikstile mit Pop.

Ihre Stimme klingt auch sehr „schwarz“.

Viele Leute glauben, bei uns sänge ein Schwarzer. Ich habe irische Vorfahren, und die irische Musik hat einen großen Einfluss auf viele schwarze Musikstile gehabt. Vielleicht kommt das so zustande.

Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg in Dänemark?

Dort gab es noch nichts, was so klang wie wir. Außerdem haben wir viele Facetten: Während die Platte sanft klingt und sauber produziert ist, ist unser Live-Auftritt dreckiger, Rock’n’Roll-lastiger. Ich nenne da immer Rage Against the Machine (RATM) als Einfluss.

Es fällt schwer, in Zusammenhang mit Ihrer Musik an RATM zu denken.

Sie sollten mich und Magnus (Bassist der Band, d. Red.) auf der Bühne rumspringen und höllisch schwitzen sehen.

Ihre Songs kreisen um private Themen. Haben Sie nicht auch mal das Verlangen, politisch Stellung zu beziehen?

Ich bin in einer politischen Gemeinde groß geworden. Mit der Zeit gelangte ich aber zu der Überzeugung, dass es keinen großen Unterschied macht, wer die Regierung bei uns in Dänemark stellt. Ich habe da das Gefühl, die Leute im Parlament sind nicht zum Politikmachen, sondern zum Reden und Reden und Versprechen und Reden ausgebildet. Die rechte Partei, die in Dänemark zuletzt so erfolgreich war, die Dansk Folkeparti, besteht aus politisch völlig ungebildeten Führungskräften und bekommt trotzdem bis zu zwanzig Prozent. Das kriege ich nicht in den Kopf. Ich bin da gerade sehr ernüchtert. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich mitten zwischen den politischen Auseinandersetzungen groß geworden bin.

Trotzdem sollen die Dänen die glücklichsten Menschen Europas sein.

Vielleicht weil wir ein gutes Gesundheitssystem haben. Nur wird dieses System wegen der demografischen Entwicklung kollabieren.

Das Gespräch führte Jens Uthoff.

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