zum Hauptinhalt
Bonaparte

© Malu Barben

Bandzirkus: Bonaparte: Blut, Schweiß und Würstchen

Ein Vielvölkerstaat, regiert vom Partykaiser: Die Berliner Band Bonaparte entfesselt einen Trash-Zirkus. Zirkusdirektor Tobias Jundt hat seine Sprache gefunden: Klar, entschieden, "runtergestrippt auf die Essenz".

Bonaparte, das ist zunächst mal Tobias Jundt. Jundt ist Schweizer, 30 Jahre, eher klein gewachsen, vor zwei Jahren kam er nach Berlin. Ein Energiebündel, ein Schnellsprecher mit breitem Mund. Beim Treffen im Café trägt er Lederschuhe und Pullunder. Für Jundt ist das ein ziemlich schräges Kostüm. Aber es kann ja nicht alle Tage Zirkus sein.

Denn das ist Bonaparte auch, ein Zirkus. Und Jundt ist der Direktor. Mit seinem internationalen Kollektiv von so trashig wie opulent kostümierten Mitmusikern und Tänzern und Feuerspuckern haben Bonaparte im September auf der Popkomm den von drei Jugendradiosendern ausgelobten „Radio Award“ gewonnen. Die Aufmerksamkeit und das Preisgeld können die Band gut gebrauchen. Unter anderem für Verstärker, Keyboards und Studioequipment. Bonapartes gerade erschienenen ersten CD „Too much“ soll schließlich bald ein zweites Album folgen. „Too much“ ist nämlich eigentlich schon zwei Jahre alt. Die von Jundt im Alleingang aufgenommenen Songs wurden auf Konzerten verkauft. Weil aber die Macher des famosen Berliner Indielabels Staatsakt nette Nachbarn der Band sind, ist man sich kürzlich einig geworden, nun auch ganz offiziell ein Album herauszubringen.

Vierzehn großartig hektische Elektropunk-Kracher sind darauf, Rumpelbeats, abgehackte Gitarrenriffs. Das Ganze ist eingängig, rhythmisch und extrem tanzbar. Dazu kommt Jundts hoher, übersteuerter Sprechgesang. Eine pointierte Pop-Parole jagt die andere: „You know Tolstoi, I know Playboy, you know politics, I know party chicks, you know too much, too much, too much, too much, too much.“. Party statt Politik? Mal sehen.

Wenn Tobias Jundt mal kein Sergeant-Pepper-Jackett und keine Plüschpelzmaske, sondern Cordhosen und Pullunder trägt, gibt er Songwriting-Workshops an der Kunsthochschule Zürich. Er findet es lustig, das neben Bonaparte zu machen. „Samstag kotze ich auf der Bühne und Montag erkläre ich – oder auch nicht – wie man Songs schreibt. Ich finde, man kann das gar nicht unterrichten. Man kann das auch nicht studieren.“ Es sei einfach wichtig, seine eigene Sprache zu finden: „Was sage ich aus – und wie sage ich es?“

Tobias Jundt hat seine Sprache gefunden. Klar, entschieden, „runtergestrippt auf die Essenz“. In Sachen Musik hat er bei Bonaparte das Sagen. Was die Musiker machen, bestimmt er – und nur er. Jundts Künstlername ist mit Bedacht gewählt. „Ich bin der Diktator,“ sagt der kleine Kaiser Bonaparte und grinst. Die Zirkusleute dagegen „können machen, was sie wollen“. Jeder habe „sein eigenes Ding, das er in die Welt bringen will“. Ein Album, sagt Jundt, diene lediglich zum „Festhalten von Ideen“. Eine CD sei eben nicht „physisch“. Bonaparte aber sind ein Live-Ereignis. „Man kennt Bonaparte nicht, wenn man uns nicht live gesehen hat.“

Jundt tritt manchmal alleine oder in Begleitung von nur drei, vier Musikern auf. Normalerweise steht aber die komplette Band mitsamt Zirkus-Crew auf der Bühne. Dann fließt Schweiß. „Band + dancers + animals + fruits + fire + confusion“ heißt Bonapartes Zauberformel. Konkret sind das boxende Ziegen, gestreifte Keyboarder, leicht bekleidete Tänzerinnen, Wolfsmasken und Hamsterperücken, Uniformen und Hasenkostüme, Mumien und lebende Skelette. Auf der Bühne wird Feuer gespuckt, werden Würstchen gegrillt und Fotos gemacht, aus dem Zuschauerraum fliegen Obst und Gemüse. Verletzungen seien häufig, sagt Jundt. „Gnadenlos“, nennt er dieses ausufernde, körperbetonte Treiben.

Kein Kaiser ohne Gefolge. „Ohne die anderen wäre ich nichts“, sagt Jundt. In einem Bonaparte-Musikvideo steigt er, angetan mit seinem Bühnenoutfit, in ein altes Auto mit Schweizer Kennzeichen. Dann fährt er los. Auf dem Weg sammelt er ein paar Musiker ein, einen Bassisten, einen Trommler. Am Schluss steht ein Konzert. „Eine Bremer-Stadtmusikanten-Story“, findet Jundt.

Sie ist ziemlich nah dran an der Wirklichkeit. Nach einem längeren Aufenthalt in Barcelona kommt Jundt 2006 als Solomusiker nach Berlin, findet Anschluss, spielt einige Konzerte – und will nicht mehr weg. Neue Leute kommen dazu, andere gehen, die Gruppe entwickelt sich organisch. Heute gehören rund 20 Künstler zum erweiterten Familienkreis – Musiker, Tänzer, Kostümbildner, Fotografen, Videofilmer aus aller Welt. „Man kann sagen, wir kommen aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Panama, Amerika, Mexiko, Neuseeland, Österreich, Polen und Brasilien. Aber wir klingen wie etwas anderes.“ Multikulti, sogar Jundt benutzt das Wort. Ein kleiner Weltstaat, mit Jundt als Partydiktator. Die Organisations- und Lebensform des Kollektivs ist das eigentlich Politische am System Bonaparte. Es geht um Spaß, sagt Jundt immer wieder. Darum, sich künstlerisch auszuleben.

„Hedonist Army“ nennen sie sich, nur halb ironisch. Party als Politik, das trifft es besser.

Bonaparte spielen am Dienstag um 20 Uhr – zusammen mit der dänischen Indieband Figurines – im Studio des Admiralspalasts. Infos unter: www.bonaparte.cc.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false