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Diddley

© AFP

Bo Diddley: Ein Mann und sein Mojo

Gründervater des Pop: zum Tod von Bo Diddley.

Der Mann verfügte über gesundes Selbstbewusstsein. Seine erste Single, die Bo Diddley im Juni 1955 veröffentlichte, nannte er „Bo Diddley“. Das Stück auf der Rückseite hieß „I’m a Man“. An dieser Musik war alles laut: das schrille Scheppern der E-Gitarre, das dumpfe Urwaldgetrommel, vor allem aber die marktschreierische Selbstanpreisung. „Bo Diddley“, so sang Bo Diddley im Stil eines Kinderabzählreims, kauft seinem „Babe“ einen Diamantring, schenkt ihr einen Sonntagsmantel und beglückt sie am Ende mit seinem „ugly ole mojo“. „Mojo“, muss man wissen, war die im schwarzen Blues übliche, den meisten weißen Hörern zu dieser Zeit aber unbekannte Umschreibung für das männliche Geschlechtsorgan. Auf der Rückseite lieferte Diddley den Klartext nach: „You know baby / We can have a lot of fun / I’m a man / I spell m-a-n.“

Bo Diddley, der am Montagabend mit 79 Jahren in seinem Haus in Archer, Florida an Herzversagen gestorben ist, gehört zu den Gründervätern des modernen Pop. Seine Musik war kein Blues mehr und auch kein Rock’n’Roll, mit ihrer flirrenden Nervösität und rumpelnden Fröhlichkeit nahm sie in den fünfziger Jahren viel von der seltsamen Mischung aus Lärm und Enthusiasmus vorweg, mit der die Beatles, die Rolling Stones oder die Kinks eine Dekade später weltweit die Hitparaden erobern sollten. „The Originator“ haben sie ihn in Amerika genannt, den Urheber. Hätte er Tantiemen bekommen von den Adepten, die seinen berühmten Bo-Diddley-Beat, eine wie torkelnd von einem Offbeat unterbrochene Akkordfolge im Viervierteltakt, benutzten, er wäre steinreich geworden. „Magic Bus“ von den Who ist um diesen Beat herum gebaut, Elvis („His Latest Flame“) benutzte ihn genauso wie die Stooges („1969“), sogar bei U2 („Desire“) ist er noch zu hören. „Bo Diddley / I’m a Man“, keine Frage, gehört zu den wirkungsmächtigsten Platten der Musikgeschichte, vergleichbar allenfalls mit „Roll over Beethoven“ von Chuck Berry oder Little Richards epochalem Ausruf „A Wop Bop a Loo Bop a Lop Bam Boom!“

Otha Ellas Bates wurde am 28. Dezember 1928 auf einer Farm im US-Bundesstaat Mississippi geboren, den Künstlernamen Bo Diddley gab er sich, als er Anfang der fünfziger Jahre in Chicago erste Erfolge mit einer Jive-Band feierte. Der Name geht auf ein Scat-Wortspiel zurück, er soll an „einen o-beinigen, komisch aussehenden Typen“ erinnern. Eine Demo-Aufnahme machte Phil und Leonhard Chess, Gründer des Chess-Labels, auf Diddley aufmerksam. Weil ihnen sein unkonventionelles Tremolo-Gitarrenspiel gefiel, gaben sie ihm einen Plattenvertrag. Die Single „Bo Diddley“ wurde ein Nummer-2-Hit, es folgten Klassiker wie „Have Guitar Will Travel“, „Mona“ oder „Who Do You Love“. 1974 verließ Diddley Chess im Streit. Bis zu seinem Tod warf er der Firma vor, ihm Geld zu schulden.

Bo Diddley gehörte zu den Urgesteinen des Rock’n’Roll, das Kantige war sein Erkennungszeichen. Eckig war sein Tanzstil, eckig die übergroße Brille, eckig seine Gitarre. Schon als Kind hatte er als Mitglied im Orchester einer Baptistenkirche eine Violine, einen Bass und eine Gitarre gebaut. Eine Zeit lang wollte er Schreiner werden, er versuchte sich auch als Profiboxer. Auch seine legendäre E-Gitarre, die er liebevoll „Big B.“ oder „The Twang Machine“ nannte, ging auf eigene Bastelarbeit zurück. Als Diddley auf der Bühne mit einer herkömmlichen Gibson herumgesprungen war, hatte er sich an der Leiste verletzt. Um künftig unfallfrei gleichzeitig springen und spielen zu können, konstruierte er einen übergroßen Holzkasten, an dem er das Griffbrett und die Saiten einer Gretsch-Gitarre anbrachte.

„Ich kann allen Musikern nur raten, niemanden außer der eigenen Mama zu trauen. Und sogar sie sollte man immer gut im Auge behalten“, sagte Diddley 2005 in einem Interview. Reich geworden, so die bittere Bilanz, waren mit seiner Musik nur die anderen. Aber Spaß hat Bo Diddley gehabt an der Musik und wohl auch am Leben, das ist unübersehbar, wenn man eines seiner Videos bei YouTube sieht. Boom, boom, boom, Pause, boom, boom, macht die Gitarre, o-beinig und wiegend schüttelt sich dazu ein großer eckiger Mann. He, Bo Diddley!

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