zum Hauptinhalt
Bushido

© dpa

Bushido-Konzert: Ghetto, Gangsta, Alcopop

Nein, diesmal hat Bushido nicht die Klischeeschublade bedient - es war vielmehr ein Abend aus Anstand und Nettigkeit. Keine Prügelei, keine Aggression. Bushido warnte lieber vor den Gefahren des Rauchens.

Im Wedding und in Neukölln, gerne als Problembezirke bezeichnet, dürfte es am Mittwochabend auffallend ruhig gewesen sein. Migrationshintergrund, Hartz IV und Prekariat hatten sich an diesem Abend aufgemacht in die O2-World, um Bushido zu sehen. Wenn ein Gangsta-Rapper (dessen Lieder von Radiosendern nicht gespielt werden, weil sie sexistisch, rassistisch, frauenfeindlich sind) und mehr als 10.000 Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen (Szene am Eingang: „Eh Alter, schubst du, kriegst du krass auf die Fresse“) sich zusammentun, dann sind auch Aggression und Krawall zu Gast. Denkt man zumindest.

„Alles Gute kommt von unten“, so heißt ein Lied von Bushido - und so lässt sich auch am besten beschreiben, was da an diesem Mittwochabend in der O2-World passiert ist: Statt Ghetto, Gangsta, Alcopop gab es Friede, Freude, Eierkuchen. Ein Abend ganz und gar im Gestus der Nettigkeit, angefangen damit, dass der Eintritt kostenlos war. Und so strömen, beinahe ehrfürchtig, Tausende Jungs (Kapuzenshirt, Kunstlederblouson, breitbeiniger Gang) und Mädchen (toupiertes Haar, aufgeklebte Fingernägel) in die Halle. Im Innenraum reihen sie sich auf, ohne Rempeln und Schubsen, die mit Platzkarten suchen brav ihre Sitznummer. Es gibt nicht einmal Streit, um die guten Plätze, wie er in jedem Kinosaal selbst unter Erwachsenen obligatorisch ist (zorniger Blick, mit der Eintrittskarte wedelnd „Reihe 1, Platz 4 ist aber meiner“).

"Ihr wisst, dass Rauchen Scheiße ist"

Als Bushido die Bühne betritt, geht das Potpourri aus Anstand und Nettigkeit erst richtig los: „Danke, dass ihr gekommen seid“, sagt Bushido. Das wird er nach jedem Song sagen. Und, dass es ihm eine Ehre sei, vor so einem „geilen Publikum“ zu spielen. Wenn Bushido rappt - oft geht es um Nutten - wogt die Menge selbstvergessen mit erhobenen Händen. „Wer raucht macht jetzt sein Feuerzeug an, so wie bei einem Grönemeyer-Konzert. Wer nicht raucht, macht das Licht an seinem Handy an und lebt länger“, ruft Bushido. Bevor er zu DJ Stickle „Stickle, drück auf Play“ sagt - wie er es vor jedem Song tut - hat Bushido noch eine Botschaft: „Ihr wisst, dass Rauchen Scheiße ist, also bitte hört auf damit.“

Kuschelig wird es, als Bushido sein Lied ankündigt, das er zusammen mit Karel Gott aufgenommen hat. Er scheint zu spüren, dass sein Publikum mit dem Namen nicht viel anfangen kann. „Karel Gott ist der Mann von der Biene Maja“, fügt er noch schnell hinzu. Ein wasserstoffblondes Mädchen in Rang 19 nickt jetzt wissend.

"Morgen ist Schule"

Gegen 22.30 Uhr kündigt Bushido den letzten Song an, „dann ist Ende Gelände“. Aber weil es ja ein Abend der Nettigkeiten ist, gibt es natürlich eine Zugabe. „Wer von euch gerne auf die Sonnenbank geht, der hebt jetzt die Hände “, ruft er. Fast 20.000 Arme schnellen in die Höhe. Irgendwie erwartet man, dass Bushido jetzt vor dem Hautkrebsrisiko warnt. Doch Stickle drückt auf Play und Bushido rappt den „Sonnenbank Flavour.“

Um 23 Uhr ist dann wirklich „Ende Gelände“: „Wir haben ja unter der Woche, und morgen ist Schule“, sagt Bushido. Wer am Mittwoch in der O2-World war, der hat erlebt, dass Gangsta-Rapper nette, verantwortungsvolle Menschen sind. Und der wird wohl nie wieder eine CD einlegen können, ohne zu sagen: „Stickle, drück auf Play.“

Dagmar Rosenfeld

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false