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Leder statt Neon. Farblich lässt es Cyndi Lauper dezenter angehen als früher.

© dpa

Spaßbad in Memphis: Cyndi Lauper im Admiralspalast

Dynamisch, stimmgewaltig und ein wenig wunderlich: Die 58-jährige Cyndi Lauper begeistert im ausverkauften Admiralspalast.

Wie sie da steht und sympathisch x-beinig die schlanken Stelzen schlenkert, dabei schief nach oben schaut und die Augen zusammenkneift, fällt einem alles wieder siedend heiß ein. Genauso stand sie auch schon zu „When the working day is done oh girls ... they wanna have fu-un“, in rosa Tüllrock und mit Bändern in den Haaren. Und wer gerade nicht weiß, wovon die Rede ist, kann sich das „Cyndi Lauper Halloween Costume“ im Internet anschauen. Es kostet 38,95 Dollar und besteht aus einem schwarzen Mieder, einem Korsett mit Zebradruck, einem schwarz-rosa Petticoat und rosa Stulpen.

Doch die meisten, die in den ausverkauften Admiralspalast gekommen sind, können sich selbstredend noch ganz genau daran erinnern, was damals los war. Dass Cyndi bereits 30 Jahre und damit streng genommen kein echtes „Girl“ mehr war, als sie 1983 mit ihrem größten Hit in die weltweiten Charts stürmte. Der Song über die spaßfreudigen Mädchen, die aber Papa am Telefon versichern, dass er trotz allem jugendlichen Hedonismus ihre „Nr. 1“ bleibt. Und der – gemeinsam mit anderen – die achtziger Jahre auf den Punkt brachte, musikalisch und optisch: sauberer Gitarrensound, merkwürdiges Keyboardsolo, verhallte Bassdrum, Pathos, Neonfarben in unpassenden Schnitten und groteske Frisuren.

Zumindest farblich scheint sich Cyndi Lauper damals ausgetobt zu haben. Die Haare der 58-Jährigen sind jetzt schlicht weißblond. Die Frisur dagegen besteht überwiegend aus Dreadlocks, im Ganzen zwei, die rechts und links von ihrem Kopf hängen wie die Ohren eines müden Esels oder der neue Aussteigerputz von Joaquin Phoenix. Dazu trägt Lauper einen weit ausgeschnittenen schwarzen Lederanzug, dessen Hose in kleinen Schlagfetzen ausläuft, direkt über den schwarzen Turnschuh-Botten, von denen man schnell versteht, dass sie sie braucht, so wie sie über die Bühne fegt, ein bisschen im Minstrelstil tanzt und sich immer wieder vor ihre Musiker stellt und sie bewundernd anwinkt.

Inzwischen hat sie ja den Blues wiederentdeckt. Ihr neues Album und die aktuelle Promotour heißen „Memphis Blues“, und so legt Cyndi Lauper im Admiralspalast auch gleich los mit dem Blueshaben. Mächtig kracht er durch den Saal, am Keyboard zwar nicht Allain Toussaint, der ihr auf der Platte aushalf, und an der Gitarre nicht B. B. King, der ebenfalls im Studio mit dabei war, aber das macht nichts: Wenn man erdigen, gleichförmigen Mitklatsch-Bluesrock mag, wenn man Gefallen findet an Stadionfeeling und massiver Publikumsanimation, dann hat man hier viel Spaß. Schon beim ersten Song kämpft sich Lauper bis in die dritte Zuschauerreihe, stellt sich auf einen Sitz und singt aus dem Publikum: Eure Cyndi, hier steht sie mitten unter euch, ehrlich wie Bruce Springsteen, stimmgewaltig wie Janis Joplin. Eine unheilige Allianz, wenn die Sängerin aus New York dabei nicht so verdammt charmant wäre. Denn das ist sie natürlich. Und immer noch hat sie diese komische Kleinmädchenstimme, die einerseits zerbrechlich, andererseits aber umfangreich ist, und die zwischenzeitlich ein bisschen klingt wie die einer wunderlichen Hexe, einer Blueshexe aus Memphis.

„She Bop“, in dem es bekanntlich um Masturbation geht, kommt gleich als dritter Song, ebenfalls gekleidet in ein bizarres Bluesgewand und mit Achtziger- Sound gemischt. Das ist dennoch massenkompatibel, und das Publikum rast wie ein Mann. Der Aufstieg von einer langsam in Vergessenheit geratenden Popfrau zur Schwulenikone durch einen Dance-Remix von „Girls“ hat Cyndi Lauper in den Neunzigern richtig gutgetan – und lockert auch das Publikum im Admiralspalast auf. Auf jedes ergraute Pärchen kommt ein muskulöser Tänzer in engem Shirt. Egal ob Bluesschema mit quietschendem Gitarrensolo oder ihr Tophit „Change Of Heart“, bei dem man hervorragend hören kann, wie sehr sich so ein Achtziger-Arrangement doch vom Tonika-Subdominanten-Dominanten-Salat des Blues unterscheidet, und wie wenig diese beiden Ingredienzien zusammenpassen – das Stichwort scheint einmal mehr Diversity zu sein.

Während Frau Lauper also wacker weiter den Blues hat, die Sitzreihen kollektiv im und gegen den Stampfrhythmus wackeln und man still und heimlich darüber nachdenkt, dass verbluester Achtziger-Pop eigentlich eine ähnliche Geißel ist wie verpoppte Klassik oder verklassikter Pop, geht die Sängerin ungerührt von ihrem Bluesjam bestehend aus „Crossroads“ und „What’s Going On“ zum Finale über: „Girls Just Wanna Have Fun“ natürlich, als großangelegte Fischer-Chöre-Mitmachaktion, bei der es keinen, höchstens ein paar miesepetrige Journalistinnen, auf den Sitzen hält. Cyndi dirigiert den Palast, ganz oben stehen die Zuschauer auf den Sitzlehnen. Das ist mal ein orgiastischer Abschluss.

Sie schiebt zwar noch das besinnliche „True Colours“ nach, aber das ist schon eher Nachspiel, erinnern werden sich alle an den wahnsinnigen Spaß, den zu haben man Frau Lauper auf ihre Nachfragen immer wieder versichert. Ob man nun ein Girl ist oder nicht. Etwas anderes zu behaupten, wäre angesichts der im Saal um sich greifenden Begeisterung auch gefährlich.

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